Die zunehmende Volatilität im heutigen Geschäftsumfeld zwingt Unternehmen dazu, ihr Prognose- und Demand Management zu überdenken. Aus technischer Sicht ist praktisch alles möglich. Prognosealgorithmen und hochentwickelte Datenverarbeitungstechnologien sind jedoch nur ein Teil des Demand Management von morgen.

Im ersten Teil dieser Artikelserie haben wir die Unsicherheit, Komplexität und Volatilität der heutigen Geschäftswelt erörtert und erklärt, warum ein neues Value-Chain-Modell erforderlich ist. Nun werden wir uns dieses neue Modell und seine verschiedenen Elemente genauer ansehen. Wir beginnen mit dem Demand Management der nächsten Generation.

Die kontinuierliche Entwicklung von Anwendungen für maschinelles Lernen in unserem Privat- und Geschäftsleben verläuft in der Regel eher unauffällig, schreitet jedoch mit erstaunlicher Geschwindigkeit voran. Bild- und Spracherkennung, Servicedienstleistungen und die medizinische Diagnostik sind nur einige Beispiele für Bereiche, die durch den Einsatz künstlicher Intelligenz völlig verändert werden. Aber nirgendwo ist dieser Einfluss so greifbar wie in der Welt der Spiele und Wettkämpfe. Was langsam begann, als IBMs Deep Blue den Schachweltmeister Garry Kasparow (1997) besiegte und Googles AlphGo den chinesischen Go-Champion Ke Jie (2017) bezwang, entwickelt sich nun immer schneller weiter: Die AlphaZero KI-Engine von Google DeepMind schlug nach vier Stunden Training das weltweit führende Schachprogramm Stockfish (2017). Bis Januar 2019 hatte DeepMind seine Engine AlphaStar so trainiert, dass sie die weltbesten Spieler im hochkomplexen Echtzeit-Strategiespiel Starcraft 2 besiegen konnte.

Abb.1: Verändertes Umfeld und Weiterentwicklung der Absatzprognose-Ansätze

Schauen wir uns nun an, was dies für das Forecasting und Demand Management bedeutet. Das Umfeld hat sich grundlegend verändert: Es wird immer komplexer, mehrdimensionaler und disruptiver. Dennoch werden in den meisten Unternehmen für Absatzprognosenhauptsächlich auf Verkaufsdaten basierende, eindimensionale statistische Prognosen sowie manuelle Eingaben von Planern verwendet. Mit anderen Worten, wir verwenden hauptsächlich Technologien und Algorithmen, die in den 60er Jahren entwickelt wurden, um „maschinelle Prognosen“ über einen hochkomplexen, dynamischen globalen Markt zu treffen. Darüber hinaus setzen wir große Hoffnungen darauf, dass der menschliche Planer die verbleibende Komplexität und Volatilität der Umgebung erfasst und sich dabei auf sein Urteil und seine Erfahrung stützt, größtenteils ohne die Hilfe fortschrittlicher Entscheidungstools.

Prognose- und Demand Management neu denken

Wir bei CAMELOT wissen aus eigenen Projekten und Untersuchungen, dass Unternehmen den Übergang zu einem Demand-Planungsansatz der nächsten Generation mit schrittweisen Verbesserungen bewältigen können. Wie in Grafik 2 zu sehen ist, werden die Verbesserungen vielfältig sein und u.a. folgende Bereiche umfassen:

  • Erweiterung der Datengrundlage von Forecasts um einen Data Lake mit internen und externen Daten
  • Überwindung der Grenzen einfacher statistischer Methoden durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, wie z.B: mit neuronalen Netzen und probabilistischen Prognosemodellen
  • Effektive Integration menschlicher Eingaben mittels Entscheidungsunterstützungssystemen
  • Übergang von reaktiven Prognosen hin zur Nachfragesteuerung und Gewinnoptimierung
  • Aktualisierung und Professionalisierung der Prognoseprozesse und der Verantwortlichkeiten

Abb.2: Entwicklung von Prognose-Ansätzen und -Lösungen

Das Erreichen der oben genannten Ziele kann Unternehmen dabei helfen, nicht nur ihre Prognose-Genauigkeit zu steigern, sondern auch Verkaufschancen zu nutzen und ihre Gewinnspanne zu optimieren. Schauen wir uns einige Beispiele an:

Ein großer Automobilzulieferer stellte sein Absatzprognose-Modell durch einen segmentierungs- und ausnahmebasierten Planungsansatz, der durch Techniken des maschinellen Lernens ermöglicht wird, vollständig um. Das Ergebnis war eine Reduzierung des Planungsaufwands um mehr als 50%, sodass sich die Planer auf kritische Wertschöpfungsbereiche konzentrieren konnten, während sich die Prognose-Genauigkeit erhöhte und auf einem deutlich höheren Niveau stabilisierte.

Ein bedeutender Konsumgüteranbieter implementierte eine Bedarfserkennung, indem er die Endkundennachfrage über die Point-of-Sales-Mengen und -Preise des Großhändlers erfasste und mit preissensitiven Forecast-Techniken kombinierte. Die Änderungen haben nicht nur die Prognosegenauigkeit um >20%-Punkte erhöht, sondern auch die Fähigkeit zur intelligenten Analyse von Werbeaktionen und Preisen verbessert, wodurch fundiertere Marketingentscheidungen getroffen werden konnten. Darüber hinaus wurde ein zweistufiger Prognose-Ansatz eingeführt: Mithilfe einer Quantilprognose für saisonale Produkte konnten saisonbedingte Anlaufphasen besser vorhergesagt werden. Dies führte zu einem optimierten Forecast für die Rohstoffe und Kapazitätsauslastung in der Vorproduktionsphase.

Verbesserungsansätze

Prädiktive Algorithmen und Datenerfassungs- und Verarbeitungstechnologien haben sich mittlerweile so weit entwickelt, dass technologisch fast alles möglich ist. Es sind die Herausforderungen in Bezug auf Organisationsstruktur, Leistungsfähigkeit, Datenzugriff und Infrastruktur, die viele Unternehmen davon abhalten, wichtige Schritte nach vorne zu machen. Im Folgenden beschreiben wir die wichtigsten Bereiche, in denen Unternehmen ihr Prognose- und Demand Management überdenken müssen.

  • Mut zu Technologiesprüngen: Häufig bevorzugen Unternehmen einen inkrementellen Ansatz und führen z.B. zunächst statistische Prognosen ein, bevor sie sich fortgeschritteneren Ansätzen zuwenden. Hier besteht die Gefahr, ewig an den Grundlagen zu arbeiten und immer mehr hinter den Mitbewerbern zurückzubleiben. Wir haben in vielen Projekten gesehen, dass es möglich ist, alte Technologien (z.B. exponentielle Glättung) zu überspringen und direkt zu Prognosetechniken überzugehen, die auf maschinellem Lernen basieren. Das Testen neuer Technologien, zumindest in ausgewählten Bereichen, wird nicht nur die Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch eine Kultur der Neugier, des Lernens und der Innovation schaffen, die das Team inspiriert.
  • Offenheit für Lernprozesse: Unternehmen sollten das Demand Management der nächsten Generation als eine Reise des kontinuierlichen Lernens und der schrittweisen Anpassung betrachten, und nicht als sofortigen Wechsel von einem alten in ein neues System. Neue Prognosetechniken können parallel zu den vorhandenen Prozessen laufen. Sie bieten viele Möglichkeiten, Abweichungen und verschiedene Signale zu verstehen und nach und nach ihre beste Konfiguration zu ermitteln. Natürlich muss eine Veränderung der operativen Planung mit Sorgfalt gehandhabt werden. Es gibt jedoch keinen Grund, sich nicht mit neuen Technologien und Erkenntnissen in einem nicht produktiven Umfeld vertraut zu machen.
  • Neues Team, neue Fähigkeiten: Unternehmen müssen ein Demand-Management-Team mit einer Vielzahl von Fähigkeiten aufbauen, welches den gesamten Zyklus von den Daten bis zur Entscheidung abdeckt. Der Demand-Planer fungiert als Schnittstelle zum Management der Fachbereiche und integriert Daten und Business-Inputs in einen harmonisierten Forecast für die Bereiche Supply Chain, Vertrieb und Finanzen. Der Data Scientist ist verantwortlich für die effektive Entwicklung, Verwendung und Optimierung von Algorithmen und Entscheidungsunterstützungssystemen. Der Datenmanager ist verantwortlich für die Qualität und kontinuierliche Weiterentwicklung des Data Lakes. Alle drei Rollen sollten als Team zusammenarbeiten und zugleich Teil verschiedener funktionaler Bereiche sein: Der Data Scientist und der Datenmanager sollten Teil eines Center of Excellence für Demand Management sein, der Demand-Planer sollte Teil des Business sein, z.B. der Vertriebsorganisation auf Landes- oder regionaler Ebene.
  • Integrierte Planung und Optimierung: Beim Demand Management der nächsten Generation geht es nicht nur um Prognosen, sondern um eine integrierte Optimierung der Nachfrage- und Angebotsseite. Je stärker die Forecast-Empfänger auf eine integrierte Planung umgestellt haben, desto mehr werden sie von den neuen Ansätzen profitieren. Andernfalls besteht das Risiko, Signale und Erkenntnisse zu generieren, die nicht reibungslos und schnell in Entscheidungen umgesetzt werden können. Die Unternehmen, die am meisten von den neuen Ansätzen, verfügen über einen stark integrierten Geschäftsplanungsprozess (Verknüpfung von Supply-Chain-, Absatz- und Finanzplan) und verfolgen einen durchgängigen Ansatz für die Supply-Chain-Planung. Die umfassende und durchgängige Verantwortung für Entscheidungen und Optimierungen wird den Wert neuer Ansätze für die Demand-Planung steigern.
  • Die richtige Daten-Infrastruktur: Die Einrichtung der richtigen Dateninfrastruktur und -governance ist eine wichtige Voraussetzung, um die Prognose und Ermittlung des Datenwerts zu verbessern. Erstens ist es wichtig, die richtige Datenarchitektur als Grundlage zu etablieren, einschließlich der Fähigkeit, Online- und Offline-Kanäle sowie eine breite Palette von Datenquellen (strukturiert, halbstrukturiert, unstrukturiert) zu integrieren. Zweitens müssen Data Lake und Data-Science-Plattform nahtlos integriert werden. Und drittens bedarf es modernster Methoden, um sicherzustellen, dass die Daten ständig gepflegt und auf dem neuesten Stand gehalten werden, z.B. maschinelles Lernen, Überwachung der Datenqualität (einschließlich Erkennung von Anomalien), Datenanreicherung und Selbstbereinigung.

Unternehmen müssen auf das Demand Management der nächsten Generation umsteigen, um Veränderungen in einem volatilen Umfeld effektiver vorhersehen zu können. Wendet Ihr Unternehmen bereits Elemente an? Was funktioniert gut, womit haben Sie noch zu kämpfen? Wir freuen uns auf Ihr Feedback und Ihre Gedanken …

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