Trends frühzeitig erkennen oder rechtzeitig Gegenmaßnahmen bei Problemen in der Supply Chain ergreifen – Entscheidungen werden besser, wenn sie sich auf möglichst genaue und aktuelle Daten stützen. Um Geschäftsprozesse zu optimieren, lohnt neben Data Mining oder Machine Learning auf die Daten selbst der Einsatz von Process Mining: Process Mining analysiert die Event Logs von operativen Systemen auf Datenspuren, die Geschäftsprozesse dort hinterlassen. Wir zeigen das Potenzial von Process Mining an konkreten Fallbeispielen der Chemie- und Pharma-Logistik.

Gute Voraussetzungen für Process Mining in der Chemie- und Pharma-Logistik

Beim Process Mining werden die verschiedenen Prozessvariante und deren Häufigkeiten aufgezeigt. Damit lassen sich Abweichung vom SOLL feststellen und Prozessvarianten identifizieren Die visuelle Aufbereitung der Ergebnisse zeigt Prozessvielfalt, Prozessbrüche, Ineffizienzen und ihre Ursachen. Die Voraussetzungen für den Einsatz der Technologie sind in der Pharma- und Chemie-Logistik sehr gut: Die Logistikprozesse sind in der Regel bereits IT-gestützt, im Transport- und Lagerumfeld ebenso wie in der Werkslogistik. Werden die prozessbezogenen Daten aus den Event Logs der Systeme zusammengeführt und analysiert, ergeben sich bereits wichtige Erkenntnisse, die Transparenzsteigerung ermöglichen oder Durchlaufzeiten senken. Außerdem bringt Process Mining in vielen Fällen zum ersten Mal einen realistischen Überblick über die realen Prozesse und deren Varianten in der Logistik – allein das hilft bereits, besser informierte Entscheidungen zu treffen.

Ein zweiter Treiber für Process Mining in der Chemie- und Pharma-Logistik sind positive Effekte auf Umsatz und Wettbewerbsfähigkeit: Prozesseffizienzsteigerungen bringen bei den oft großen Logistikaufwänden wesentliches Einsparpotenzial. Außerdem trägt die Logistik-Performance mittlerweile nicht unwesentlich zur Kundenzufriedenheit bei.

Anwendungsfälle identifizieren

Process Mining kann Antworten auf komplexe Fragen der Pharmalogistik geben, etwa die „On Time In Full“-Performance in der Distribution an Apotheken, Krankenhäuer und den Großhandel. Hier müssen Daten und Systeme von externen Partnern analysiert werden – damit ist das ein recht komplexer Anwendungsfall. Wir empfehlen für den Start, das Potenzial aus Analysen von internen Prozessen zu heben, also von der Auftragserfassung bis zum Versand. Hier können schnell tatsächliche Prozesslaufzeiten sowie -varianten optimiert werden. Allein die Vielzahl der Prozessvarianten und die Varianz der Prozesslaufzeiten sorgt oft für Überraschungen. Wir stellen weiter unten drei Beispiele vor. Weitere Einsatzmöglichkeiten zeigt Abbildung 1.

Process Mining unterstützt bei vielfältigen Herausforderungen
Abb. 1: Process Mining unterstützt bei vielfältigen Herausforderungen

Die Anwendungsfälle für Process Mining im eigenen Unternehmen geben einen wichtigen Hinweis bei der Entscheidung, ob Process-Mining-Wissen punktuell zugekauft oder Inhouse aufgebaut werden soll. Dahinter steht die Frage nach der Einsatzfrequenz – einmalige Anwendung versus kontinuierliche Nutzung.

Erstere erheben eine Momentaufnahme, beispielsweise als Standortbestimmung für die aktuellen Prozessvarianten. Hier reicht oft schon die punktuelle Zusammenarbeit mit einem Experten aus, der neben spezifischer Branchen- und Process-Mining-Erfahrung auch entsprechende Software-Lizenzen für das Projekt mitbringt. Aus den Ergebnissen der Analyse können konkrete Verbesserungspotenziale abgeleitet und in einer Roadmap strukturiert werden. Um den Erfolg der Maßnahmen zu überprüfen, ist eine regelmäßige Wiederholung der Standortbestimmung im Sinne eines Reviews eine kosteneffiziente Option.

Soll hingegen ein KPI-Reporting und somit ein kontinuierliches Prozess-Monitoring aufgesetzt werden, lohnt sich der Wissensaufbau in der eigenen Organisation sowie die Investition in eigene Process-Mining-Software-Lizenzen.

Für welche Version man sich auch immer entscheidet: Die Ergebnisse von Process Mining können sehr umfassend sein. Sie betreffen in der Regel sechs Kern-Dimensionen (siehe Abb. 2). Wir geben im Folgenden Beispiele für Anwendungsfälle, in denen Process Mining schnell Erfolge zeigt.

Process Mining unterstützt bei vielfältigen Herausforderungen
Abb. 2: Process Mining unterstützt bei vielfältigen Herausforderungen

Beispiel 1 – Durchlaufzeiten und Qualitätskontrolle

Der „Dock 2 Stock“-KPI gibt in Lagerbetrieben die Zeit an, die für die Warenvereinnahmung und somit zum Verfügbarmachen der Ware für Bestellung und Versand gebraucht wird. Bei der genauen Definition der Kennzahl wird nicht selten getrickst. Sie lässt sich mit Process-Mining-Methoden, genauer: mit der Erfassung von Zeitstempeln und Belegfluss aus den Event Logs der Systeme zur Hof- und Lagerverwaltung, gut analysieren. Dabei werden die Zeitstempel zusammengetragen, angefangen bei der Ankunft des LKWs über die Entladung und Qualitätskontrolle bis zur Freigabe des Bestandes. Genutzt werden die Event Logs des Lagerverwaltungssystems. Je nach Analysetiefe ergeben sich beispielsweise Erkenntnisse über Laufzeiten und die Prozesse der Qualitätskontrolle. Eine Segmentierung erlaubt selbst im regulierten Pharmaumfeld häufig schon eine wesentlich schnellere Batchfreigabe.

Beispiel 2 –Pufferfläche für Warenbereitstellung

Mit Process Mining können Sie differenzierte Informationen über die Verweildauer von angeforderten Waren in der Bereitstellung erheben. Dazu werden Zeitstempel beispielweise aus dem Auftragseingang zusammengeführt und analysiert. Häufig entstehen sie im Rahmen der Produktionsversorgung durch die Produktionsplanung. Diese Analyse kann Schwachstellen in der Planung, Zuverlässigkeit oder Transparenz der Produktionsversorgung zeigen. Zusätzlich hat sie Potenzial, Abläufe zu verschlanken, Prozesskosten und Bestände zu reduzieren und die Nutzung der verfügbaren Pufferflächen zu optimieren.

Beispiel 3 – Strafzahlungen verringern

Bei Ladungsträgern in der Chemie-Logistik für Seefracht, Binnenschifffahrt oder Schiene fallen nach der vertraglich vereinbarten Nutzungsdauer in der Regel Strafen oder zusätzliche Gebühren an. Erst wenn man den Nutzungsprozess des Ladungsträgers von dem Erhalt bis zur Rückgabe erfasst, lassen sich die Forderungen des Lieferanten überprüfen. Einsparpotenzial zeigt sich, wenn man auf die Schritte zwischen dem Freistellen eines Ladungsträgers und der Rückgabe fokussiert. Konkret lässt sich in vielen Fällen optimieren, wo und wann der Ladungsträger termingerecht retourniert wird, oder in welchen Fällen gleich zu Beginn eine längere Nutzungsdauer – zu günstigeren Konditionen – vereinbart werden sollte. Die Daten helfen, die Ausnutzung des vereinbarten Zahlungsziels und damit den Cash Flow zu verbessern. In der Regel lassen sich so Kosten schon erheblich reduzieren, ohne dass operative Prozesse angefasst werden. Allerdings stellt dieses Beispiel einige Herausforderungen bei der Implementierung: Process Mining-Tools erkennen Bestandshöhen initial nicht, da Bestände keine Transaktionsbelege aufweisen. Zudem kann sich die Material-ID im Produktionsprozess ändern. Hier braucht es eventuell etwas Erfahrung, um die Einlagerungs- und die Auslagerungs-ID zu verknüpfen.

Process Mining – Optimierungspotenziale erkennen

Process Mining hat ein enormes Wertschöpfungspotenzial, auch für die pharmazeutische und chemische Industrie. Die Logistik bietet sich als Umfeld an, da hier bereits gute Voraussetzungen herrschen – Stichwort Digitalisierungsgrad der Prozesse. Nach ersten Tests lohnt sich eine Analyse, welches Potenzial Process Mining im eignen Unternehmen hat: Geht es eher um punktuelle Aufnahmen, die mit externen Partnern umgesetzt werden? Oder gibt es Potenzial für konstante prozessbegleitende Verbesserungen? In beiden Fällen gilt: Die Technologie ist reif genug, um mit nutzerfreundlichen Anwendungen echte Optimierungspotenziale zu heben.

Wir möchten Thomas Schnur für seinen wertvollen Beitrag zu diesem Artikel danken.

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