Die digitale Transformation des Order-to-Cash-Prozesses steht derzeit auf der Tagesordnung vieler Unternehmen, da sie zahlreiche Vorteile verspricht. Doch wie können diese Vorteile realisiert werden? Welche Technologie kann für welchen Schritt des Order-to-Cash-Prozesses implementiert werden?

In unserem vorherigen Artikel führten wir auf, dass Unternehmen von einem ausgereiften Order-to-Cash-Prozess mit gesteigerten Gewinnen, einem stabileren Cashflow und einer höheren Kundenzufriedenheit profitieren. Die Automatisierung von Prozessen ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, den Reifegrad des End-to-End-Prozesses zu erhöhen und schneller und effizienter zu werden. Dazu werden technologische Lösungen wie die robotische Prozessautomatisierung (RPA), künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) eingeführt.

Eine aktuelle Studie  zeigt große Unterschiede im Reifegrad der Order-to-Cash-Digitalisierung in den untersuchten Unternehmen. Während 23 Prozent keinerlei Automatisierung nutzen, geben 8 Prozent an, auf eine ausgereifte KI-basierte kognitive Automatisierung zu setzen. 67 Prozent wenden bereits RPA an, allerdings nur 51 Prozent KI.[1] Die Studie zeigt außerdem, dass die meisten Unternehmen Debitorenbuchhaltung (68 Prozent), Fakturierung (61 Prozent) und Auftragsmanagement (46 Prozent) automatisiert haben. Nur 26 Prozent verfügen über einen durchgängigen automatisierten Order-to-Cash-Prozess, und 33 Prozent planen eine entsprechende Einführung.[2] Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Ergebnisse der Studie im Detail.

Abbildung 1: Reifegrad der Prozessautomatisierung
Abbildung 1: Reifegrad der Prozessautomatisierung [1]
Aktueller Automatisierungsstatus im Bereich Order-to-Cash
Abbildung 2: Aktueller Automatisierungsstatus im Bereich Order-to-Cash [2]

Digitale Transformation des Order-to-Cash-Prozesses – warum und wie?

Die Vorteile eines transformierten Order-to-Cash-Prozesses sind eine höhere Produktivität und Effizienz. Dazu kommen kürzere Zykluszeiten und eine reduzierte Fehlerrate. Außerdem werden Mitarbeiter von repetitiven und monotonen Aufgaben entlastet.

Zur digitalen Transformation des Order-to-Cash-Prozesses gehört eine breite Palette von Automatisierungsmöglichkeiten. Häufig bildet eine RPA-Software die Grundlage. Transaktionen und nicht-routinemäßige Aufgaben können mit Hilfe von KI automatisiert werden. Mit selbstlernenden Bots können auch Entscheidungsprozesse optimiert werden. Durch die Nutzung von Process Mining wird der Order-to-Cash-Prozess zusätzlich verfeinert. Fortschrittlichere Unternehmen, führen auf der Grundlage der Blockchain-Technologie Smart Contracts ein. Als eigenständige Programme sind diese in der Lage, vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen, wenn die erforderlichen Bedingungen gegeben sind.

Implementierung digitaler Lösungen für jeden Prozessschritt

Digitale Lösungen für den Order-to-Cash-Prozess können für jeden Prozessschritt implementiert werden. Dazu wird zunächst eine Bewertung des Prozesses durchgeführt. Dabei berechnen wir den Business Case der einzelnen Lösungen für den jeweiligen Prozessschritt. Auf dieser Grundlage entwickeln wir eine Roadmap für die digitale Transformation des Order-to-Cash-Prozesses. Abbildung 3 fasst die Highlights der Digitalisierung für jeden Prozessschritt zusammen, von den Stammdaten bis zum Post-Fulfillment Management. Anschließend werden sie im Detail erläutert.

3_Digitale Transformation des Order-to-Cash-Prozesses Schritt für Schritt
Abbildung 3: Order-to-Cash-Prozesses Schritt für Schritt

Die Voraussetzung: Stammdaten

Korrekte und aktuelle Stammdaten bilden die Grundlage für digitale Order-to-Cash-Prozesse. Die Pflege von Stammdaten kann durch RPA unterstützt werden, z. B. durch Aktualisierung von Kundenstammdaten auf allen Systemen oder durch Anpassung von Preisen auf der Grundlage des Marktverhaltens.

Unternehmen, die noch weiter sind, speichern ihre Stammdaten in einer privaten Blockchain. Updates werden in Echtzeit mit allen Parteien geteilt, was den manuellen Aufwand minimiert und Inkonsistenzen verhindert. Wenn für eine Vereinbarung zudem ein Smart Contract besteht, kann der Kunde automatisch aufgefordert werden, Stammdaten zu aktualisieren oder erforderliche Zertifizierungen zu teilen. So genießen alle Beteiligten völlige Transparenz im Hinblick auf den Transaktionsfortschritt.

Kunden- und Vertragsmanagement

Die Aushandlung und Anpassung von Vertragsbedingungen kann ein langwieriger Prozess sein. Durch die Einführung eines Chatbots können Neuverhandlungen von Vertragsbedingungen mit geringerem manuellem Aufwand abgewickelt werden. Das Kreditmanagement kann durch Integration von Rating-Anbietern vereinfacht werden, sodass Informationen zum Kundenrisiko und zur Kreditwürdigkeit jederzeit zur Verfügung stehen. Außerdem können Unternehmen KI-basierte Verhaltensscores und algorithmische Trendanalysen einführen.

Eingang und Bestätigung von Aufträgen

Es gibt viele Möglichkeiten, die einzelnen Schritte des Auftragseingangs- und Bestätigungsprozesses zu digitalisieren und so den Bereich Order-to-Cash effizienter zu gestalten. Schon in der Angebotsphase kann ein Bot auf der Grundlage von Geschäftsberichten, sozialen Medien, Nachrichten-Websites und anderen öffentlich zugänglichen Informationen Kundenprofile anlegen. Diese gesammelten Daten können genutzt werden, um automatisch weitere Produkte und Services zu empfehlen. Unternehmen, die in diesem Bereich schon weiter fortgeschritten sind, führen Smart Contracts mit relevanten Informationen wie Produktdaten, Lieferzeiten und Zahlungsbedingungen ein.

Auch die RPA bietet viele Möglichkeiten, das Auftragsmanagement zu automatisieren. Online-Bestellungen können automatisch integriert werden, und Bestellungen per Post oder E-Mail können im ERP-System automatisch erstellt werden. Das System prüft die Bestellungen auf Richtigkeit und kennzeichnet Abweichungen zur Überprüfung.

Nach Auftragseingang kann mit Hilfe von KI oder ML das Kreditlimit geprüft werden. Auf der Grundlage aller verfügbaren Daten wird ein Kredit genehmigt oder abgelehnt. Die Speicherung wichtiger Datenelemente wie Bestellung und Vertragsbedingungen in der Blockchain erhöht die Effizienz. So kann ein Kunde beispielsweise automatisch benachrichtigt werden, wenn er eine Bestellung aufgibt und sein Kreditlimit bereits erreicht ist.

Als Nächstes werden im System rechtliche Anforderungen und Verfügbarkeit überprüft. Die Verfügbarkeitskontrolle basiert auf unternehmensweiten Echtzeitdaten und berücksichtigt Geschäftsprioritäten und Rentabilität.

In einem letzten Schritt wird der Auftrag automatisch weitergeleitet und in CRM- und ERP-Systeme aufgenommen, und der Kunde erhält eine Auftragsbestätigung. Bei Änderungen am Auftrag wird der Kunde automatisch informiert. Außerdem kann er den Status seiner Bestellung im Webportal verfolgen.

Auftragsabwicklung

Für eine digital unterstützte Auftragsabwicklung kann zwischen Auftragsbestätigung und Transportdisposition automatisch die Lieferung angelegt werden. So wird ein automatischer und pünktlicher Versand gewährleistet. Die Bearbeitung erfolgt unter Berücksichtigung des bestätigten Lieferdatums und die pünktliche, vollständige Auftragserfüllung wird automatisch überwacht. Per RPA kann eine automatische Versandbestätigung erfolgen.

Rechnungs- und Forderungsmanagement

Nachdem die Bestellung weitergeleitet und in CRM- und ERP-Systeme aufgenommen wurde, wird die Rechnungserstellung angestoßen. Die Rechnung wird automatisch erstellt (einschließlich aller zu berücksichtigenden Rabatte), überprüft und zugestellt. Im Fall von Smart Contracts wird so auch für die korrekte Erstellung von Forderungen gesorgt. Auf diese Weise müssen Rechnungskonflikte nicht mehr manuell geprüft und gelöst werden. Der Smart Contract kann so konfiguriert werden, dass die Rechnung automatisch beglichen wird, wenn sie von der Finanzabteilung freigegeben und vom Kunden angenommen wurde.

In der Debitorenbuchhaltung werden physische Zahlungen zunächst per OCR eingescannt. Im nächsten Schritt wird mittels RPA oder KI ein Abgleich zwischen Bestellung und Rechnung durchgeführt. Stärker digitalisierte Unternehmen nutzen außerdem KI, um Plausibilitätsprüfungen und Cash-Pooling durchzuführen. Um die Transparenz zu erhöhen, kann die Blockchain-Technologie eingesetzt werden. So kann beispielsweise überwacht werden, wann ein Kunde eine Zahlung freigegeben hat. Diese Information ist nicht nur für die Debitorenbuchhaltung hilfreich, sondern unterstützt auch den Inkassoprozess und liefert in Echtzeit Informationen zu Kreditrisiken.

Auch der Inkassoprozess kann in unterschiedlichem Maße digitalisiert werden. Er kann durch einen Bot unterstützt werden, der den Mahnprozess ausführt. Der Bot sendet die Mahnberichte an die Account Manager, die dann direkt den Kunden kontaktieren. Wenn eine direkte Kontaktaufnahme nicht nötig ist, können automatisch Mahnschreiben verschickt werden. Stärker digitalisierte Unternehmen können auch KI nutzen, um weitere Analysen durchzuführen und so Umsatzverluste zu vermeiden.

Post-Fulfillment Management

KI ist besonders gut geeignet, um die Reaktion bei Streitigkeiten zu digitalisieren. In Standardfällen identifiziert die KI Annahmen, die besonders wahrscheinlich sind, und löst entsprechende Streitigkeiten automatisch auf. Abweichungen werden zur manuellen Überprüfung gekennzeichnet. Zudem kann ML für das Clustering von Problemen und Trendanalysen das Post-Fulfillment-Management unterstützen.

Ausblick

Digitale Order-to-Cash-Prozesse – dieser Begriff umfasst viele Möglichkeiten entlang des gesamten Prozesses. Bevor die Reise losgehen kann, muss sich das gesamte Unternehmen auf eine Roadmap einigen, um zu gewährleisten, dass alle Funktionen mit an Bord sind. Dabei muss festgehalten werden, welche Art der Digitalisierung die Funktionen benötigen, beispielsweise ob der Fokus auf der Implementierung von RPA-Lösungen oder auf dem Management des Order-to-Cash-Prozesses mit Smart Contracts liegen soll.

Die digitale Transformation des Order-to-Cash-Prozesses ist in der heutigen Zeit unerlässlich. Da immer weniger qualifiziertes Personal zur Verfügung steht, müssen neue Wege gefunden werden, um den Prozess effektiv zu verwalten. Während sich die Mitarbeiter auf einen guten Kundenservice konzentrieren, können andere Aufgaben automatisiert werden. Die Kunden werden den schnellen, effizienten und transparenten Prozess zu schätzen wissen, in dem der Mensch aber nach wie vor bei Bedarf jederzeit eingreifen kann. Langfristig wirkt sich dies positiv auf die Gewinne aus.

Wir danken Miriam Prein für ihren wertvollen Beitrag zu diesem Artikel!

[1] SCM Order to Cash (apqc.org)

[2] K011140_SCM_Automating O2C.pdf (apqc.org)

 

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