In unserem letzten Blogbeitrag haben wir uns grundsätzlich dem Thema Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendungsstrategien im Bereich E-Mobilität gewidmet. Der folgende Artikel nimmt das Thema Remanufacturing als spezielles Element der Kreislaufwirtschaft in den Fokus. Der erste Abschnitt erläutert den Begriff Remanufacturing genauer. Anschließend geht es um die Mehrwerte für den Kunden sowie die Produzenten von wiederaufbereiteten Produkten. Im darauffolgenden Abschnitt werden die nötigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung von Remanufacturing im Unternehmen diskutiert. Der Gesamtprozess wird im letzten Abschnitt am Beispiel von Antriebsbatterien für Fahrzeuge verdeutlicht.

Was bedeutet Remanufacturing?

Remanufacturing ist ein Prozess zur Aufarbeitung gebrauchter – in der Regel jedoch nicht defekter – Produkte, um die Qualitätsstandards des Neuprodukts wiederherzustellen. In den meisten Fällen wird das Produkt dazu teilweise oder vollständig demontiert, um die Bauteile und/oder Baugruppen zu prüfen. Es ist möglich, dass das Produkt eine technologische Aufwertung durch den Ersatz defekter Komponenten erfährt. In der Regel wird Remanufacturing zur Verlängerung der Lebensdauer eingesetzt, zum Beispiel bei Windturbinen. Zu unterscheiden ist Remanufacturing von der Reparatur/ Instandsetzung, der Wiederverwendung und dem Refurbishing:

  • Ausgangszustand für die Reparatur/ Instandsetzung ist ein defektes Produkt, welches in einen funktionsfähigen Zustand zurückversetzt wird.
  • Die Wiederverwendung von Produkten verfolgt das Prinzip, den Entsorgungsprozess zu vermeiden, indem ein Produkt oder eine Sache an anderer Stelle und gegebenenfalls mit einem anderen Zweck eingesetzt wird.
  • Das Refurbishing bezeichnet die qualitätsgesicherte Instandsetzung von Produkten mit dem Zweck der Wiederverwendung und erfolgt in der Regel deutlich früher im Lebenszyklus als das Remanufacturing. In der Regel wird dies mit nicht defekten Produkten durchgeführt. Produkte, welche zum Beispiel nach dem 14-tägigen Widerrufsrecht zurückgegeben werden, werden in den meisten Fällen geprüft und anschließend als „refurbished“ verkauft. Vor allem für EDV- und Bürogeräte ist dieser Prozess gängig.

Gemeinsam haben alle Strategien, dass sie zur Vermeidung von Abfällen und zur Schonung von Primärressourcen beitragen.

Vorteile und Mehrwerte für Kunde und Produzent

Vorteile und Mehrwerte von Remanufacturing bestehen sowohl auf Kundenseite als auch auf Seite der Hersteller.

Übersicht Mehrwerte für Kunden und Hersteller durch die Nutzung von RemanufacturingAbbildung 1: Übersicht Mehrwerte für Kunden und Hersteller durch die Nutzung von Remanufacturing

Potenziale Hersteller:

  • Niedrigere Produktionskosten im Vergleich zum Neuprodukt
  • Neue Einnahmequelle durch After-Sales-Tätigkeiten
  • Bessere Qualität der wiederaufbereiteten Produkte durch verbesserte Ersatzteile
  • Ausnutzung von Nachhaltigkeitseffekten

Potenziale Kunde:

  • Niedrigere Preisbarriere
  • Bessere Qualität der aufbereiteten Produkte
  • Besserer After-Sales-Service
  • Steigerung der Nachhaltigkeit
  • Nutzung von State-of-the-Art Technologien

Im Folgenden werden die Voraussetzungen erläutert, um Remanufacturing erfolgreich im Unternehmen zu etablieren.

Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von Remanufacturing

Effizientes Remanufacturing basiert auf drei Schlüsselelementen:

  1. Produkt: Schon in der frühen Phase der Produktentwicklung müssen Aspekte des Remanufacturing berücksichtigt werden, zum Beispiel das gewählte Material oder die Konstruktionsweise. Das Design und die Konstruktion der Produkte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Dieser Aspekt wird unter dem Schlagwort „Design for Remanufacturing“ zusammengefasst.
  2. Reverse Supply Chain: Die Rückgewinnung der gebrauchten Produkte ist Ausgangspunkt und wichtigster Input des Remanufacturing-Prozesses. Um gebrauchte Produkte in die Supply Chain zurückzuführen, können strategische Partnerschaften geschlossen werden, etwa mit Akteuren, die standardmäßig am Ende der Wertschöpfungskette stehen.
  3. Businessmodell: Das Geschäftsmodell hinter dem Remanufacturing muss auf die Gesamtunternehmensstrategie einzahlen. Nennenswert sind hier Beispiele wie Margenverbesserung, Kostenoptimierungen sowie Erhöhung der Nachhaltigkeit im Unternehmen oder Senkung des CO2-Footprints.

Um die drei beschriebenen Schlüsselelemente erfolgreich umzusetzen, muss jedes potenzielle Bauteil oder Produkt in seinem speziellen Kontext untersucht werden. Das bedeutet: Es müssen neben dem technischen Hintergrund auch die Materialien, Spezifikationen, Herstellungsmethoden, der Markt, der Lebenszyklus, die Lieferkette sowie die Kundenanforderungen dediziert betrachtet werden. Aus den Ergebnissen der beschriebenen Inhalte kann für geeignete Kandidaten eine Remanufacturing-Strategie und Roadmap abgeleitet werden.

Als Basis dafür hilft in der Regel eine Ermittlung des Ist-Zustands zum Abgleich gegen einen gewünschten Soll-Zustand. Hilfreich ist hier eine Remanufacturing-Reifegradanalyse wie in Abb. 2 beispielhaft dargestellt. Die Reifegradanalyse ist in eine Informationsphase und eine Bewertungsphase unterteilt. In der ersten Phase wird der Input für das Assessment über Interviews, Line Walks und Prozess-Performance-Daten gesammelt. Anschließend wird in einer mehrdimensionalen Analyse bewertet, welchen Reifegrad das Unternehmen in Bezug auf den Remanufacturing-Prozess aufweist. Zu den zu bewertenden Dimensionen gehören unter anderem der Produktionsprozess, die Intralogistik, die genutzten IT-Systeme und die Supply Chain Planungsprozesse. Alle Dimensionen zahlen auf die oben genannten Schlüsselelemente (Produkt, Reverse Supply Chain und Businessmodell) ein.

CAMELOT Ansatz zur Reifegradbestimmung beim RemanufacturingAbbildung 2: CAMELOT Ansatz zur Reifegradbestimmung beim Remanufacturing

Remanufacturing von Automotiv-Antriebsbatterien als attraktives Businessmodell

Antriebsbatterien eignen sich für diese Betrachtung im Kontext Remanufacturing sehr gut, da die Bedarfe an Batterien bei begrenzten Rohstoffmengen und steigenden Rohstoffpreisen in den kommenden Jahren weiter wachsen werden. Das führt dazu, dass auch die Menge der „Altbatterien“ steigen wird und somit mehr Input für den Remanufacturing-Prozess gegeben ist. Förderungen wie die Kaufprämie für Elektroautos, welche erst kürzlich bis 2025 verlängert wurde, verstärken den beschriebenen Trend weiter. Abbildung 3 stellt die Bedarfe und die zu erwartenden Rückgaben dar.

Erwarteter globaler Bedarf an Antriebsbatterien - Prognostizierte Rückgabe an AntriebsbatterienAbbildung 3:
A: Erwarteter globaler Bedarf an Antriebsbatterien [GWh] [1];
B: Prognostizierte Rückgabe an Antriebsbatte-rien [mio. kg] [3]

Der Ausbau von Remanufacturing bei Antriebsbatterien wird dazu führen, dass der Preis pro KWh für Batterien sinkt. Für Player in der Batterie-Wiederaufbereitung resultiert daraus eine steigende Marge bzw. die Möglichkeit zur Generierung von Marktanteilen durch günstigere Preise.

Die gängigsten Batterie-Bauweisen

Um das Remanufacturing-Potenzial von Batteriezellen bewerten und den dafür nötigen Prozess geeignet auszugestalten zu können, werden zunächst die gängigen Varianten von Batteriestrukturen für Automobile vorgestellt:

  1. Cell-Module-Pack
  2. Cell-to-Pack
  3. Cell-to-Chassis

Die Mehrheit elektrifizierter Fahrzeuge ist heute mit einer Batterie ausgestattet, welche sich in ein Batteriepack aufteilt, das aus mehreren Batteriemodulen besteht: das Cell-Modul-Pack. Die Batteriemodule sind ihrerseits aus mehreren in Reihe geschalteten Batteriezellen zusammengebaut (Cell-Modul-Pack, siehe Abb. 4, oberste Zeile). Der Zusammenschluss zu Batteriemodulen erhöht die Sicherheit der Batterien, weshalb diese Bauweise derzeit Standard ist; sie senkt allerdings die mögliche Energiedichte.

Für die Cell-to-Pack-Technologie werden größere Einzelzellen verbaut, welche direkt zu einem Batteriepack zusammengeschaltet werden (siehe Abb. 4, mittlere Zeile). Der Vorteil dieser noch recht jungen Bauart ist, dass die Energiedichte um 10 bis 15 Prozent erhöht werden kann.

Um noch höhere Energiedichten zu erzielen, wird aktuell die Cell-to-Chassis-Technologie (s. Abb. 4, untere Zeile) vorangetrieben. Dabei wird das Batteriepack direkt im Chassis des Fahrzeugs verbaut. In Bezug auf Remanufacturing gehen wir bei dieser Bauweise von prozesstechnischen Herausforderungen aus. Abbildung 4 stellt die beschriebenen Bauweisen schematisch dar.

 

Bauweisen von automotiven AntriebsbatterienAbbildung 4: Bauweisen von automotiven Antriebsbatterien

Im Weiteren fokussieren wir uns auf Remanufacturing-Prozesse für die beiden erstgenannten Varianten. Der Grund: Die Cell-to-Chassis-Bauweise ist aktuell noch nicht vollständig in der Serienfertigung angekommen, und die Standardbauweise und die Cell-to-Pack Strategie machen etwa 99% des Marktes aus.

Kernelemente des Remanufacturing-Prozesses von Antriebsbatterien

Für beide betrachteten Bauweisen lässt sich der Remanufacturing-Prozess in sechs Hauptschritte untergliedern.

  1. Batteriediagnose: Über Algorithmen werden die ankommenden Batteriezellen geprüft und kategorisiert. z.B. in die Kategorien
    a) End-of-Life,
    b) Second-Life mit möglichem Reuse als Home Storage,
    c) Remanufacturing mit Wiedereinsatz als Antriebsbatterie.
    Audi startete hierzu das Projekt „BattMAN“4.
  2. Demontage: Im zweiten Schritt erfolgt die Demontage der Batteriepacks, abhängig von der Bauweise mit dem Zwischenschritt der Demontage der Batteriemodule oder direkt auf dem Level der Zelldemontage.
  3. Zellprüfung: Im Anschluss werden die Zellen im Detail überprüft.
  4. Zell-/ Modulersatz: Zellen, die nicht mehr die gewünschte Leistung erbringen, werden ersetzt.
  5. Batteriemontage: Anschließend erfolgt die Remontage der geprüften Zellen und Neuzellen zur wiederaufbereiteten Antriebsbatterie.
  6. Finale Qualitätskontrolle: Der abschließende Qualitätscheck gewährleistet, dass die aufbereitete Antriebsbatterie den Kundenanforderungen entspricht.

Der beschriebene Prozess ist schematisch in Abbildung 5 dargestellt.

Schematischer Prozess des Batterie-Remanufacturing in Anlehnung anAbbildung 5: Schematischer Prozess des Batterie-Remanufacturing in Anlehnung an [2]

Erforderliche Kenntnisse und Infrastruktur zum Remanufacturing von Antriebsbatterien

Der Prozess basiert auf Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Einführung benötigt werden. Diese betreffen zum einen das benötigte Know-how im Unternehmen (Gesamtunternehmen und Personal), sowie die nötige Infrastruktur für Anlieferung, Lagerung, Testing und Remanufacturing.

Know-how

Das Know-how lässt sich in zwei Subkategorien untergliedern:

  1. Know-how zum Fertigungsprozess: Zum einen müssen die Mitarbeitenden im Remanufacturing-Prozess im Umgang mit Hochvoltspeichern ausgebildet sein, um die Batteriespeicher demontieren zu können. Darüber hinaus sollten sie mit den Bauweisen und Produktspezifika vertraut sein, um eine effiziente Demontage zu gewährleisten.
  2. Chemisches Know-how: Neben dem fertigungstechnischen Basiswissen werden Fachkräfte benötigt, die im Umgang mit den verwendeten Chemikalien geschult sind, hier vor allem Flüssigelektrolyt, Anoden- und Kathodenmaterialien sowie Separatoren.

Infrastruktur

Zusätzlich gilt es die infrastrukturellen Voraussetzungen für das Handling der Zellen sowie einen lückenlosen Remanufacturing-Prozess zu schaffen. Dazu gehören:

  • Eingehende logistische Infrastruktur für den Batterietransport.
  • Fläche (abhängig vom Durchsatz): Neu ankommende Batterien müssen in der Regel eine Quarantänezeit überstehen, um Transport- oder sonstige Schäden auszuschließen. Das setzt einen nicht unerheblichen Raumbedarf voraus.
  • Lagerungsanforderungen für beschädigte und unbeschädigte Batteriemodule und -packs müssen erfüllt werden – vorzugsweise in der Nähe des Kunden.
  • Zugang zu Einrichtungen für die Behandlung chemischer Abfälle und
  • Zugang zu Prozesswasser und Stickstoff müssen gewährt sein.
  • Ausgehende logistische Infrastruktur für anorganische Chemikalien und Elektrolytlösungen sind notwendig.

Die beschriebenen Voraussetzungen stellen Kernvoraussetzungen dar.

Zusammenfassung

In dem Beitrag wurde der Remanufacturing-Prozess technischer Produkte am Beispiel von Antriebsbatterien für PKWs erläutert. Dazu wurden die Mehrwerte für den Kunden und Produzenten dargelegt, der Kernprozess des Remanufacturing erörtert sowie die nötigen Voraussetzungen Know-how-seitig und infrastrukturell beschrieben. Auf Basis der dargestellten Inhalte können Interessierte erste Schritte umsetzen, um Remanufacturing-Potenziale im Unternehmen zu identifizieren (z. B. Identifikation relevanter Produkte).

In unserem nächsten Beitrag werden wir uns den Eigentumsverhältnissen der Batterien und datengetriebene Geschäftsmodellen für Hersteller/ Remanufacturer widmen.

 

Sources

[1] Zhao et al. 2021 – A Review on Battery Market Trends, Second-Life, Reuse and Recycling

[2] Kampker et al. 2020 – Battery pack remanufacturing process up to cell level with sorting and repurposing of battery cells

[3] Statista

[4] Second life or recycling? BattMAN rescues batteries from a needlessly short lifespan

[5] Steinhilper & Weiland 2015 – Exploring New Horizons for Remanufacturing – An up-to-date Overview of Industries, Products and Technologies


Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Circular Economy. Eine Einführung gibt es in diesem Artikel.

Wir freuen uns auf Ihre Nachricht, wenn Sie Ihre Pläne zur Reuse/ Second Life und Remanufacturing diskutieren möchten. Schreiben Sie Jens Steuer (jste |at| camelot-mc.com).

 

download thoughtpaper "5 Effective Ways to Embed Sustainability in the Value Chain"

Nachhaltigkeit in die Wertschöpfungskette integrieren: Fünf Wege

Nachhaltigkeits- und Umweltstrategien sind längst kein Nischenthema mehr, ihre Umsetzung jedoch anspruchsvoll. Lernen Sie fünf effektive Schritte zu nachhaltigen Wertschöpfungsketten kennen.

Download: " Fünf Wege zur Nachhaltigkeit"

Empfohlene Artikel

Innovation

So integrieren Sie Daten aus SAP Analytics Cloud in SAP Data Warehouse Cloud

Erfahren Sie in diesem Video-Tutorial, wie Sie Daten aus SAP Analytics Cloud (SAC) in SAP Data Warehouse Cloud (DWC) integrieren und …

weiterlesen
CRM

Migration zur SAP Business Technology Platform Multi-Cloud – Beispiel

In diesem Blogpost geben wir Ihnen eine Übersicht über die Features und Vorteile der neuen SAP BTP. Wir zeigen Ihnen, wie …

weiterlesen
Supply Chain Management

Die Zukunft des Supply Chain Managements in der chemischen Industrie, Teil 2

Im zweiten Teil unserer Blogserie beschäftigen wir uns damit, welche Rolle digitale Lösungen im Supply Chain Management spielen.

weiterlesen

Denken Sie Ihre Value Chain neu mit uns

Kontaktieren Sie uns