Um die Kundennachfrage zuverlässig vorherzusagen, setzen Unternehmen überwiegend auf statistische Prognosen, indem sie das/die am besten geeignete(n) Modell(e) für ihre Produkte auswählen. Der Gedanke, ein Prognosemodell auszuwählen, ist jedoch inzwischen überholt. Kombiniert man mehrere leistungsfähige Modelle, kann zu einer Steigerung der Prognosegenauigkeit führen.

Schwierigkeiten bei der Auswahl des Prognosemodells

Für Bedarfsplaner ist das wesentliche Ziel die Verbesserung der Prognosegenauigkeit. Um die Nachfrage zuverlässig vorherzusagen, verwenden die meisten Unternehmen statistische Modelle, beispielsweise exponentielle Glättungsmodelle oder den gleitenden Durchschnitt. Obwohl es diese Modelle schon seit den 1950er Jahren gibt, sind sie in Unternehmen immer noch weit verbreitet, da sie für ihre robuste Prognoseleistung und Nachvollziehbarkeit bekannt sind. Zusätzlich zu diesen immer noch beliebten Modellen wurden in den letzten 70 Jahren immer mehr neue Modelle entwickelt, die eine noch bessere Prognosegenauigkeit erreichen sollen. Auch aktuell wird noch an neuen Modellen gearbeitet. Diese sind oft deutlich komplexer und basieren zunehmend auf maschinellem Lernen (Machine Learning, ML).

Infolgedessen haben Bedarfsplaner heute die Wahl zwischen vielen verfügbaren Modellen. Für sie ist es wichtig zu wissen, welches davon sie für die Nachfrageprognose ihrer Produkte nutzen sollten. Um dieses Problem anzugehen, gibt es verschiedene Vorschläge und Regeln zur Modellauswahl.

Der häufigste Ansatz zur Modellauswahl ist die sogenannte „Best-Fit“-Methode, die von den meisten fortschrittlichen Planungssystemen unterstützt wird. Dabei werden für jedes Produkt mehrere konkurrierende Prognosemodelle auf den historischen Verkaufszahlen simuliert. Für die Erstellung der Zukunftsprognose wird für das jeweilige Produkt das Modell ausgewählt, das den geringsten Prognosefehler für vergangene Verkäufe aufweist.

Auswahlansätze wie den Best-Fit-Ansatz gibt es reichlich. Sie alle haben etwas gemeinsam, nämlich dass sie nach dem einen am besten geeigneten Modell suchen. Allerdings ist der Gedanke, ein einzelnes Prognosemodell auszuwählen, inzwischen überholt, wie wir im folgenden Abschnitt zeigen werden.

Ein Modell ist nicht genug

Die Auswahl des am besten geeigneten Modells führt zu einer Alles-oder-Nichts-Entscheidung, die zwei große Nachteile hat:

1.     Informationsverlust:

In der Regel wurden statistische Prognosemodelle entwickelt, um bestimmte Verhaltensweisen und Nachfragemuster wie Trends und Saisonalität zu erfassen. Wenn man aus den vielen verfügbaren Optionen das am besten passende Modell auswählt, ignoriert man damit automatisch alle Muster, die das ausgewählte Modell nicht erfasst. Daher führt die Auswahl nur eines Modells zu einem Verlust von Informationen über das wahre Nachfragemuster eines Produkts.

2.     Nervöses Prognoseverhalten:

In Fällen, in denen beispielsweise zwei Modelle bei der historischen Nachfrage ähnlich gut abschneiden, führt ein Modellauswahlansatz wie der Best-Fit-Ansatz in vielen Fällen zu einem häufigen Wechsel zwischen Modellen, und zwar regelmäßig in jedem Planungszyklus. Im schlimmsten Fall erfassen die beiden Modelle sogar sehr unterschiedliche Muster. Beim Hin- und Herwechseln zwischen den Modellen ändern sich die Prognosewerte dramatisch, insbesondere bei langfristigen Prognosen. Dieses nervöse Prognoseverhalten ist ein echtes Problem für alle nachfolgenden Planungsschritte (Produktionsplanung, Bestandsplanung etc.) und führt nicht selten zu Misstrauen gegenüber der Prognose. Abbildung 1 visualisiert einen solchen Fall.

Konstante und saisonale Modelle schneiden bei historischen Verkaufszahlen ähnlich gut abAbbildung 1: Konstante und saisonale Modelle schneiden bei historischen Verkaufszahlen ähnlich gut ab

Die Kraft der Kombination

Dass die Kombination von Prognosemodellen zu genaueren Prognosen führen kann, wurde beim weltgrößten Prognosewettbewerb M-Competitions bereits früh erkannt. Mit der M4-Competition wurde die Dominanz dieses Ansatzes unbestreitbar. Die wichtigste Erkenntnis des Wettbewerbs kann man als „die verbesserte numerische Genauigkeit des Kombinierens“ (M4-Competition, 2020) zusammenfassen. Weitere Informationen zum Wettbewerb selbst finden Sie in unserem letzten Artikel „Was wir von der weltgrößten Prognosekonferenz lernen können“.

Es gibt vielfältige Ansätze für die Kombination von Prognosemodellen. Sie lassen sich anhand verschiedener „Reifegrade“ unterscheiden, die im Zuge der M-Competitions identifiziert wurden:

1.     Einfache Kombination statistischer Modelle

Die „Comb S-H-D“-Methode war eine von 24 (hauptsächlich statistischen) Methoden, die in der M3-Competition (2000) untersucht wurden. Sie beinhaltet den einfachen Durchschnitt von drei häufig verwendeten exponentiellen Glättungsmodellen, nämlich Single Exponential Smoothing, Holt’s Linear Exponential Smoothing und Dampen Trend Exponential Smoothing. Diese einfache Mittelung war in den meisten Fällen leistungsstärker als die einzelnen Modelle und schnitt im Vergleich zu den anderen Methoden der Konkurrenz generell gut ab. Diese Ergebnisse konnten für verschiedene Prognosehorizonte (bis zu 18 Monate), Fehlermaße und Datentypen (Mikro, Industrie, Makro usw.) beobachtet werden, um verallgemeinerbare Ergebnisse zu erzielen.

2.     ML-Kombination statistischer Modelle

Die bereits in der M3-Competition beobachtete Dominanz von Prognosemodellkombinationen wurde in der 2018 durchgeführten M4-Competition erneut und sehr deutlich bestätigt: Unter den 17 genauesten Methoden des Wettbewerbs waren 12 Kombinationsansätze – überwiegend aus statistischen Modellen.

Einer davon ist das sogenannte „Feature-Based Forecast Model Averaging“ (FFORMA) Framework (Montero-Manso et al., 2019), das bei der M4-Competition den zweiten Platz belegte. Im Gegensatz zu einem einfachen Durchschnitt verwendet dieser Ansatz ein ML-Modell, um ein dynamisches Gewichtungsschema zum Kombinieren von Prognosemodellen zu entwickeln. Zu diesem Zweck wird das ML-Modell darauf trainiert, Prognosefehler zu minimieren: Es bewertet die Prognosegenauigkeit jedes Modells uns bezieht sich auf eine Reihe von Merkmalen, die in der Verkaufshistorie erkennbar sind (Spitzigkeit, Stabilität, Trendstärke und Saisonalität usw.). Daher werden bei jedem neuen Produkt (und seinem Satz berechneter Merkmalswerte) individuelle Modellgewichte bestimmt.

3.     Kombination von ML-Modellen

Neben dem Trend der Kombination von Prognosemodellen finden ML-Modelle zunehmend Anerkennung in der Prognose-Community. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Siegermodell der M5-Competition eine Kombination aus mehreren ML-Modellen ist. Genauer gesagt berücksichtigt das Framework den einfachen Mittelwert mehrerer fortgeschrittener Modelle aus dem Bereich der Gradientenverstärkung.

Unser Fazit: Unabhängig davon, wie ausgefeilt die Prognosemodelle oder Kombinationsalgorithmen (statistisch oder ML-basiert) sind – die Ergebnisse der M-Competitions zeigen deutlich, dass die Kombination mehrerer Modelle besser abschneidet als einzelne Modelle. Abbildung 2 verdeutlicht exemplarisch die Wirkung der Prognosemodellkombination im Vergleich zur Verwendung einzelner Modelle.

Die Mittelung von Prognosemodellen ermöglicht die richtige Balance zwischen ExtremenAbbildung 2: Die Mittelung von Prognosemodellen ermöglicht die richtige Balance zwischen Extremen

Die Steigerung der Prognosegenauigkeit war noch nie so einfach

Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis zu überführen, scheitert oft. Doch die M-Competitions liefern immer wieder unbestreitbare Belege, die von den Bedarfsplanungsabteilungen nicht länger ignoriert werden sollten.

Unabhängig von der Reife Ihres Prognoseansatzes und davon, ob Sie einfache statistische Modelle oder fortgeschrittene ML-Modelle verwenden, ist es einen Versuch wert, die Prognoseleistung ihres einfachen Durchschnitts zu bewerten. Dies erfordert kein zusätzliches Modell und kann leicht durch einige Anpassungen im Prognoseprofil Ihres bestehenden Planungssystems umgesetzt werden. Das Erreichen einer höheren Prognosegenauigkeit war noch nie so einfach!

Dennoch sollten Sie für Ihre langfristige Roadmap einen intelligenten Modellkombinationsansatz in Betracht ziehen. Dies erfordert komplexere Algorithmen von externen Systemen. Die technischen Details ihrer Integration werden Thema unseres nächsten Blogartikels sein. Bleiben Sie dran!

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