Viele Schulungen werden so konzipiert, als ob wir etwas nur einmal zu lernen bräuchten, damit es für alle Zeiten in unserem Gedächtnis abgespeichert ist. Das ist eher Wunschdenken. Schließlich kennt wohl Jeder das frustrierende Gefühl, Wissen zum Beispiel aus einer Fortbildung, bei Bedarf nicht abrufen können.

Im späten 19. Jahrhundert entdeckte der Psychologe Hermann Ebbinghaus durch Gedächtnistests, die er über lange Zeiträume an sich selbst durchführte, dass der Umfang des Gemerkten exponentiell abnimmt. Das bedeutet, dass im Moment des Erlernens die Speicherung im Gedächtnis 100 Prozent beträgt, wogegen es schon nach wenigen Tagen nur noch 40 Prozent sind. Was heißt das für das Lernen in Transformationskontexten?

Können wir unsere Vergesslichkeit überlisten?

Glücklicherweise fand Ebbinghaus auch verschiedene Faktoren, die beeinflussen, wie gut wir uns Informationen oder Erlerntes merken können. Außerdem entdeckte er Tricks, um dem unerwünschten Gedächtnisverlust entgegenzuwirken.

Entscheidende Faktoren sind dabei die Zeit, die seit dem Erlernen vergangen ist, sowie die Intensität, mit der man sich etwas einprägt: Sie hängt unter anderem von der Bedeutsamkeit der Lerninhalte und deren Präsentation ab.

Das bedeutet für Schulungen: Wenn wir gegen das allmähliche Vergessen vorgehen wollen, sollten wir die Wissensvermittlung möglichst zeitnah zur Anwendung des Erlernten durchführen und es regelmäßig auffrischen. Wenn eine Schulung in kleinen Einheiten angeboten wird oder das Gelernte immer wieder abgefragt wird, können wir unser Wissen Schritt für Schritt aufbauen – auch das ist vorteilhaft. Statt von Informationen überwältigt zu werden, haben wir so die Chance, diese auf etwas zu beziehen, das wir bereits wissen. Wir setzen sie in einen Kontext.

Um das Gedächtnis zu stärken, müssen wir sicherstellen, dass die Inhalte für die Lernenden relevant sind und dass diese mit dem Ausbilder oder der Ausbilderin oder anderen Lernenden interagieren können. Noch besser wäre es allerdings, die neuen Informationen direkt anwenden zu können, um sie zu verfestigen und das Lernerlebnis zu intensivieren. Die Anwendung des Gelernten in der Praxis stärkt die Fokussierung und den Willen zu lernen.

Wie wirken sich diese Erkenntnisse auf Schulungsprogramme für umfangreiche Transformationen aus?

Mit diesen Erkenntnissen im Blick überrascht es fast, dass einige Unternehmen Schulungen als einmalige Veranstaltungen organisieren, die zudem lange vor dem geplanten Start neuer Prozesse oder Systeme stattfinden. Hinzu kommt: Oft wird die Wirksamkeit von Schulungen nicht in strukturierter Weise gemessen. Es lässt sich jedoch klar erkennen, dass die meisten Inhalte der Schulung vergessen wurden, wenn sie benötigt werden. Neues Wissen wird nicht in Fähigkeiten übertragen, die zum Beispiel für die Handhabung neuer Prozesse oder Systeme erforderlich sind.

Um wirksame und nachhaltige Lernerlebnisse zu konzipieren, müssen Schulungsleiter die folgenden drei Grundelemente berücksichtigen:

  1. Festlegung des geeigneten Schulungsprogramms
  2. Festlegung des richtigen Zeitablaufs
  3. Einrichtung eines geschlossenen Schulungszyklus

Festlegung des geeigneten Schulungsprogramms

Nicht jedes Gehirn funktioniert in der gleichen Weise. Und nicht jedes Format eignet sich für jede Art von Inhalt. Stellen Sie sicher, dass Sie die richtige Art von Schulung in Hinblick auf das jeweilige Thema, die Zielgruppe der Lernenden und die Lernkultur des Unternehmens auswählen. Um die vielen verschiedenen Bedürfnisse von Lernenden zu berücksichtigen, sollte ein optimales Lernerlebnis so konzipiert sein, dass Unternehmen ein ausgewogenes Portfolio aus Schulungsformaten anbieten, aus denen die Lernenden wählen können. Der primäre Schwerpunkt sollte dabei auf Formaten liegen, die das Experimentieren und das soziale Lernen fördern. Formelle Schulungen sollten nur etwa 10 bis 20 Prozent ausmachen.

Während ein formeller Schulungsansatz, wie beispielsweise von einer Lehrperson geleitete Präsenzschulungen, eine direkte Interaktion bei Fragen ermöglicht und bei sehr komplexen Themen besonders wirksam ist, stellt dieser jedoch die unflexibelste Lernform dar. Wird nur dieser Ansatz allein angewandt, reicht dies nicht aus, um in einer dynamischen Arbeitsumgebung Wissen aufzubauen.

Dagegen ist soziales Lernen ein informeller Lernansatz, der auf den Beziehungen der Lernenden, dem Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie der Beobachtung anderer beruht. Er ist spontan und weniger strukturiert als traditionelle Schulungsformate. Das Lernen durch soziale Interaktion kann durch Coaching- oder Mentoring-Formate unterstützt werden, ebenso wie durch die Förderung von Gesprächen in der Gruppe und Aktivitäten, die mehr Kontaktpunkte schaffen.

Ähnlich dazu bietet auch das Experimentieren einen Rahmen für ein besseres Einprägen von Wissen. Die Lernenden sind aktiv am Lernprozess beteiligt und wollen ihre eigene Entwicklung in die Hand nehmen. Konzepte, Fakten und Informationen werden direkt angewandt und die Lernenden können die Ergebnisse der Aktivitäten sehen. Die Selbstverantwortung hat einen positiven Effekt auf die Dauer der Speicherung im Gedächtnis, weshalb dieses Format genau wie das soziale Lernen einen zentralen Bestandteil des Schulungsprogramms bilden sollte.

Festlegung des richtigen Zeitablaufs

Mit selbstbestimmtem Lernen können die Teilnehmenden nach ihrem eigenen Zeitplan Wissen erwerben. Im Vergleich zu einer formellen Präsenzschulung entfällt hierbei der Druck, Aufgaben in einem bestimmten zeitlichen Rahmen abschließen zu müssen, es gibt weniger Ablenkungen und man „verliert nicht das Gesicht“, wenn man etwas nicht auf Anhieb versteht. Der größte Vorteil besteht jedoch darin, dass der Schulungsinhalt „bei Bedarf“ abgerufen werden kann. Selbstbestimmtes Lernen wird durch Online-Inhalte, Erklärvideos oder Simulationen unterstützt.

Bei der Planung von Präsenzschulungseinheiten sollte berücksichtigt werden, dass diese möglichst nah am Zeitpunkt der Anwendung der Schulungsinhalte (zum Beispiel Inbetriebnahme von Systemen) liegen sollten.

Eine weitere Methode, die vor allem bei Systemschulungen zum Einsatz kommt, ist die Bereitstellung kontextgebundener Hilfe bei Bedarf. Hierfür ist eine Vielzahl von Digital Adoption Platforms (früher als Electronic Performance Support System bezeichnet) auf dem Markt erhältlich. Digital Adoption Platforms versuchen, die Lernenden in der Produktivumgebung zu unterstützen und bieten in den Arbeitsablauf integrierte Anleitung. Dahinter steht die Idee, die Lernenden zunächst „ins kalte Wasser zu werfen“ und ihnen die benötigten Informationen erst dann zu liefern, wenn sie diese benötigen; sie sollen also einfach loslaufen und werden dann in die richtige Richtung geschubst.

Einrichtung eines geschlossenen Schulungszyklus

Die Wirksamkeit von Schulungen kann in vielerlei Weise gemessen werden, mit einem Schwerpunkt auf dem Schulungserlebnis und den gewünschten Ergebnissen. Nur durch die Kombination unterschiedlicher Daten wie beispielsweise die Anzahl der Tickets an den Systemsupport, Prozess-KPIs, Process Mining-Daten, Klicks in Digital Adoption Platforms sowie Resultate von Selbstbeurteilungen können wir die Wirksamkeit einer Schulung ermitteln. Entscheidend für den Erfolg ist die Einrichtung eines geschlossenen Zyklus. Das bedeutet, dass die Schulungsstrategie und -inhalte entsprechend den Resultaten zur Wirksamkeit angepasst werden. Auf diese Weise kann die Wirksamkeit von Schulungen laufend weiter verbessert werden.

CAMELOT CAse Study Brenntag NOrth America: People-focused MDM Transformation

Case Study Brenntag Nord-Amerika: Transformation Analytics

Das MDM-Projekt bei Brenntag North America stellte die Menschen in den Mittelpunkt des Transformationsansatzes, unterstützt durch Tranformation Analytics Daten. (in Englisch)

Download: People-Focused MDM Transformation

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