Der Druck auf Unternehmen, nachhaltiger zu werden, nimmt ständig zu. Es gilt, jetzt Ziele für die Reduzierung von CO2-Emissionen festzulegen und je nach geschäftlichem Umfeld die richtigen Entscheidungen in Sachen Dekarbonisierung zu treffen. Ein strukturierter Ansatz kann helfen, einen rentablen Weg hin zur Klimaneutralität zu formulieren.

Vor fünf Jahren schuf das Pariser Klimaabkommen die politische Grundlage für den internationalen Klimaschutz. Heute setzt eine wachsende Zahl von Anspruchsgruppen die Unternehmen unter Druck, nachhaltiger zu handeln: von Kunden, die umweltfreundlichere Produkte verlangen, über politische Institutionen, die Mindestanforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit festsetzen, bis bin zu Investoren, die bei ihren Anlageentscheidungen Nachhaltigkeitsprinzipien miteinbeziehen. Tatsächlich zählen Nachhaltigkeitsgrundsätze für die meisten globalen institutionellen Investment-Firmen, einschließlich der drei weltweit größten Vermögensverwalter, zu den wichtigsten Prioritäten.[1]

Aus diesem Grund haben führende Unternehmen aller Branchen in den letzten Jahren Ziele für die Reduktion von CO2-Emissionen verkündet. Die Ziele fallen in Bezug auf die Art der Emissionen (direkt oder indirekt, auch als Scope 1, 2 oder 3 bezeichnet), das Bezugsjahr, den Zeitrahmen und die Höhe der angestrebten Reduzierung höchst unterschiedlich aus. Unsere Analyse der Unternehmen im Dow Jones und im EuroStoxx50 hat ergeben, dass etwa 70 Prozent aller Organisationen transparent in Bezug auf ihre direkten und indirekten Emissionen sind und dass über 50 Prozent Ziele für die Reduzierung von CO2-Emissionen festgelegt haben. Die Bezugsjahre unterscheiden sich dabei allerdings deutlich und sind oft nicht transparent. Es gibt drei verschiedene Gruppen von Unternehmen, die Ziele verkündet haben:

  1. Die „Mainstream“-Gruppe, zu der nahezu 50 Prozent der Unternehmen gehören, hat Ziele für die Reduktion von CO2-Emissionen bis zum Jahr 2035 mit einer maximal erreichbaren Verringerung um 50 Prozent angekündigt.
  2. Die „Vorreiter“-Gruppe, die etwa 25 Prozent umfasst, plant, innerhalb der nächsten 15 Jahre (nahezu) CO2-neutral zu werden.
  3. Die „Langstrecken“-Gruppe, die etwa 25 Prozent ausmacht, plant die CO2-Neutralität für die Jahre 2040 bis 2050.

Die Kohlendioxidziele der meisten führenden Unternehmen orientieren sich am GHG Protocol. Da die Kohlendioxidemissionen externer Partner entlang der Wertschöpfungskette schwierig zu ermitteln sind, erfolgt die Veröffentlichung indirekter Emissionen (Scope 3) auf freiwilliger Basis. Allerdings entscheiden sich immer mehr Unternehmen dafür, über die gesetzlichen Verpflichtungen zur Berichterstattung über Kohlendioxidemissionen hinaus ihre Emissionsdaten und Aktivitäten beim Carbon Disclosure Project (CDP) als neutraler Agentur einzureichen.

Die richtige Strategie für die CO2-Reduzierung

Angesichts der großen Vielfalt an Zielen für die CO2-Reduzierung ist ein Best Practice-Ansatz für die Festlegung von Zielen hilfreich. Abbildung 1 zeigt ein strukturiertes Konzept für die Formulierung einer Dekarbonisierungsstrategie.

Abb. 1: Vorgehen für die Festlegung von Dekarbonisierungszielen

Fußabdruck-Analyse

Wie wir in unserem vorherigen Artikel erläutert haben, ist Transparenz in Bezug auf den CO2-Fußabdruck die wichtigste Voraussetzung für eine nachhaltige Entscheidungsfindung. Dies gilt umso mehr für die Festlegung von Dekarbonisierungszielen. Es kommt darauf an, die Informationen über den Fußabdruck ausreichend detailliert und präzise zu prüfen, beispielsweise nach Geschäftsbereich, Schritt innerhalb der Wertschöpfungskette und Land. Nur wenn man die Emissionen eindeutig den jeweiligen Geschäfts- oder Funktionsbereichen zuweisen kann, ist es möglich, das Vorgehen festzulegen und die Effektivität von Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen einzuschätzen.

Risikobewertung

Wenn es um die Dekarbonisierung und ihre Umsetzung geht, sehen sich Unternehmen mit verschiedenen Unsicherheitsfaktoren und Risiken konfrontiert. Die dafür verantwortlichen politischen, gesetzlichen, technologischen oder marktbezogenen Veränderungen sind auf die Bemühungen der Gesellschaft zurückzuführen, die Folgen des Klimawandels abzumildern und sich an sie anzupassen.[2] Zu den Risiken dieser Art gehören unter anderem Änderungen der politischen Rahmenbedingungen, Veränderungen der Kosten für konventionelle gegenüber grünen Energiequellen oder Unsicherheit in Bezug auf den CO2-Preis. Darüber hinaus sind Unternehmen einer steigenden Zahl von Naturkatastrophen (Dürren, Brände, Überschwemmungen oder Stürme) ausgesetzt, mit Folgen wie zum Beispiel politischer Instabilität oder Migration.

Unternehmen dürfen nicht zu sehr an ihrem derzeitigen Umfeld festhalten und müssen diese Unsicherheiten anerkennen. Zur Bestimmung eines möglichen Geschäftsergebnis-Korridors empfehlen wir, mindestens die drei folgenden Szenarien zu berechnen:

  1. Projektion des derzeit bestehenden Umfeldes in die Zukunft
  2. Hochrechnung aktueller klimabezogener Trends, z. B. schrittweise Preissteigerung bei konventionellen Energiequellen und Produktionstechnologien
  3. Dynamische und Multi-Point-Auswirkungen des Klimawandels (z. B. Folgen für die Rohstoffversorgung)

Aufgabenbestimmung und Zeitplanung

Das Pariser Klimaabkommen hat zum Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 °C zu halten und ihn im Idealfall auf 1,5 °C zu beschränken.[3] Für eine Dekarbonisierung gemäß dem 2-°C-Ziel ist eine Halbierung der derzeitigen Emissionen bis 2030 und das Erreichen der Klimaneutralität bis spätestens 2050 erforderlich.[4] Ziele, die diesem Grad der Dekarbonisierung entsprechen, gelten als „wissenschaftlich begründet“ („science-based“).[5] Die Science Based Targets-Initiative bietet Unternehmen einen Rahmen, mit dem sie eigene Ziele für die Reduzierung von CO2-Emissionen gemäß bestimmten Kriterien festlegen können. Dazu gehören unter anderem klare Anforderungen in Bezug auf den Grundwert und das Zieljahr sowie die Verpflichtung, ein Ziel für die Verringerung indirekter Emissionen (Scope 3) zu formulieren, falls diese insgesamt mehr als 40 Prozent der Kohlendioxidemissionen ausmachen.[6] Mithilfe des Sectoral Decarbonization Approach (SDA) wird das Kohlendioxidbudget für das Erreichen des 2-°C-Ziels auf verschiedene Sektoren wie zum Beispiel Stromerzeugung oder Schienenverkehr aufgeteilt, unter Berücksichtigung der inhärenten Unterschiede (z. B. in Bezug auf das Klimaschutzpotenzial).[7]

Wir empfehlen Unternehmen, bei der Formulierung ihrer Ziele einen dreistufigen Ansatz zu verfolgen:

  1. Beginnen Sie mit externen Zielsetzungen, indem Sie Ihren Weg hin zur Klimaneutralität an den von der Science Based Targets-Initiative formulierten Umweltschutzniveaus ausrichten. Beziehen Sie außerdem spezifische nationale Anforderungen, das Verhalten der Wettbewerber in Ihrer Branche und Ihren eigenen Reifegrad mit ein.
  2. Formulieren Sie eine interne Vision für die klimaneutrale Zukunft Ihres Unternehmens und verstehen Sie die verschiedenen Abstufungen von Maßnahmen. Ermitteln Sie, welche schnellen Erfolge möglich und welche größeren Investitionen erforderlich sind und führen Sie eine Gap-Analyse durch.
  3. Definieren Sie konkrete Meilensteine für kürzere Zeithorizonte, damit Ihre Mitarbeiter motiviert bleiben.

Strategie für die Reduzierung von CO2-Emissionen

Unternehmen möchten den Übergang zu einem Geschäftsmodell vollziehen, das auch in einer klimaneutralen Wirtschaft rentabel ist. Der Übergang sollte so effektiv wie möglich erfolgen und dem angestrebten Weg in Richtung Dekarbonisierung entsprechen. Dies erfordert eine mehrdimensionale Strategie, von einigen kleineren Verbesserungen an der aktuellen Lieferkette über eine grundlegende Neugestaltung der Wertschöpfungskette bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. Es muss stets geprüft werden, wo man den nächsten Euro investieren muss, um in Sachen Dekarbonisierung möglichst effizient zu sein und dabei gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität des Unternehmens zu wahren. Wir empfehlen daher einen vierstufigen Ansatz:

  1. Optimierung der Ressourceneffizienz und Investition in erneuerbare Energien
    Verringern Sie Ihre Emissionen pro Ausbringungsmenge, indem Sie analysieren, inwieweit die derzeit vorhandenen Produktionsstätten und Prozesse durch Effizienzmaßnahmen nachhaltiger gestaltet werden können (z. B. durch Isolierung, Verringerung des Energieverbrauchs, Kreislaufnutzung von z. B. Abfällen oder Nebenprodukten oder Investitionen in erneuerbare Energien und bahnbrechende Technologien).
  2. Neugestaltung der Wertschöpfungskette
    Erzielen Sie ein deutlich höheres Nachhaltigkeitsniveau, indem Sie ermitteln, bei welchen Teilen Ihrer Wertschöpfungskette der Kohlendioxidausstoß am höchsten ist und das größte Potenzial für eine Reduzierung besteht. Legen Sie außerdem Minderungsmaßnahmen fest (z. B. Verlagerung der Produktion zurück ins Inland statt ins Ausland oder Wechsel zu grünen Energiequellen wie Biogas oder Wasserstoff).
  3. Neugestaltung des Geschäftsmodells
    Um CO2-neutral zu werden, reichen die Schritte 1 und 2 möglicherweise oft nicht aus. In diesem Fall müssen Unternehmen vorhandene Grenzen überwinden und in grünen und Kreislauf-Geschäftsmodellen denken. Zu diesem Zweck müssen die folgenden Fragen beantwortet werden: Wie kann ich dafür sorgen, dass meine Kunden nachhaltiger sind? Wie kann ich meine Produkte auf nachhaltigere Weise neu erfinden? Besteht die Möglichkeit neuer Transaktionsmodelle (z. B. mieten statt kaufen)? Kann ich den Lebenszyklus meiner Materialien und Produkte verlängern?
  4. Kompensation von Emissionen
    Falls bereits alle effektiven Mittel für die Reduzierung der CO2-Emissionen des Unternehmens ausgeschöpft wurden, kann es kostengünstiger sein, durch Investitionen in CO2-Gutschriften die Dekarbonisierung außerhalb des eigenen Unternehmens zu unterstützen. CO2-Gutschriften sind handelbare Zertifikate, die das Recht repräsentieren, Treibhausgase zu emittieren[8]. Als Kompensation werden Projekte finanziert, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen oder Treibhausgasemissionen verhindern.

Eine glaubwürdige Strategie für die Reduzierung von CO2-Emissionen muss eindeutig langfristig ausgelegt sein und auf dem ganzheitlichen Ansatz der Schritte 1, 2 und 3 basieren. Verlässt man sich zu sehr auf CO2-Gutschriften, wächst das Risiko einer operativen, technologischen oder finanziellen Bindung an CO2-intensive Vermögenswerte, die langfristig möglicherweise unrentabel sind.[9] Auf diese Weise würde die Transformation, die Unternehmen in den kommenden Jahren vollziehen müssen, lediglich aufgeschoben. Wir empfehlen Unternehmen deshalb, zuerst in eine robuste Strategie zur Verringerung der Klimafolgen zu investieren, bevor sie Kapital in jährlichen CO2-Gutschriften binden.

Für eine erfolgreiche Strategie zur Reduzierung von CO2-Emissionen muss Nachhaltigkeit durch spezielle Rollen, eine festgelegte Governance und einen Rahmen für die Berichterstattung sowie durch eine klare interne und externe Kommunikation in das Unternehmen integriert werden. Mit diesen Themen werden wir uns in einem nachfolgenden Artikel näher befassen.

Fazit

Ein fundiertes und validiertes Ziel für die Reduzierung von CO2-Emissionen bildet das Rückgrat jeder Strategie zur Reduzierung von Kohlendioxid. Um dieses Ziel formulieren zu können, bedarf es Transparenz in Bezug auf den CO2-Fußabdruck und die Risikofaktoren. Der Sectoral Decarbonization Approach unterstützt Unternehmen beim Benchmarking ihrer Zielsetzungen für die Dekarbonisierung je nach Branche. Strategien für die Reduzierung von CO2-Emissionen müssen aus geschäftlicher Sicht hinterfragt und so effizient wie möglich gestaltet werden. Zu diesem Zweck gilt es Maßnahmen für Effizienz und Neugestaltung der Lieferkette auf lange Sicht durch grüne und Kreislauf-Geschäftsmodelle zu ergänzen.

[1] Harvard Business Review: The Investor Revolution, https://hbr.org/2019/05/the-investor-revolution

[2] CDP, Towards a science-based approach to climate neutrality in the corporate sector, September 2019

[3] https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement

[4] CDP, Towards a science-based approach to climate neutrality in the corporate sector, September 2019

[5] https://sciencebasedtargets.org/wp-content/uploads/2015/05/A-Quick-Guide-to-the-Sectoral-Decarbonization-Approach.pdf

[6] https://sciencebasedtargets.org/wp-content/uploads/2019/03/SBTi-criteria.pdf

[7] https://sciencebasedtargets.org/wp-content/uploads/2015/05/Sectoral-Decarbonization-Approach-Report.pdf

[8] Collins English Dictionary. Abgerufen am 18. August 2020 auf CollinsDictionary.com.

[9] CDP, Towards a science-based approach to climate neutrality in the corporate sector, September 2019

download thoughtpaper "5 Effective Ways to Embed Sustainability in the Value Chain"

Nachhaltigkeit in die Wertschöpfungskette integrieren: Fünf Wege

Nachhaltigkeits- und Umweltstrategien sind längst kein Nischenthema mehr, ihre Umsetzung jedoch anspruchsvoll. Lernen Sie fünf effektive Schritte zu nachhaltigen Wertschöpfungsketten kennen.

Download: " Fünf Wege zur Nachhaltigkeit"

Empfohlene Artikel

Data & Analytics

Automatisierung in Lieferkettenfunktionen mit Robotic Process Automation

Dieser Artikel schildert eine machbare Vorgehensweise zur Automatisierung in Lieferkettenfunktionen und, weshalb Robotic Process Automation (RPA) dabei eine entscheidende Rolle spielt.

weiterlesen
Logistics

Vision für Pharmalogistik: mit Risiken und Schwachstellen arbeiten

Pharma-Logistik von Morgen: Lieferkettenrisiken mit Big Data simulieren, und Schwachstellen der Lieferkette mit Data Science aufdecken

weiterlesen
Future Value Chain

Digital als nächster Schritt für Fertigungsunternehmen im Lean-Reifegradmodell

Für viele Fertigungsunternehmen lohnen sich weitere Investitionen nach dem Lean-Modell alleine nicht mehr. Der Blogbeitrag summiert die Ergebnisse der Studie “…

weiterlesen

Denken Sie Ihre Value Chain neu mit uns

Kontaktieren Sie uns