Sichtbarkeit in der Logistik von heute ist ein Punkt, der bei allen Supply Chain Managern auf der Tagesordnung steht. Das Bewusstsein für die Bedeutung und künftige Relevanz dieses Themas ist zwar vorhanden, in der Realität erweist sich der Ansatz aber nach wie vor als komplexes Projekt. Der folgende Anwendungsfall soll im Rahmen unserer Blog-Beitragsreihe zum Thema Supply Chain Visibility einen praktischen Ansatz veranschaulichen sowie die Spezifität von Supply Chain Visibility und ihren Wert für das Tagesgeschäft zeigen.

Supply Chain Visibility als Service in der Lebensmittelindustrie

Supply Chain Visibility gibt Verbrauchern und Einzelhändlern Einblick in die Herkunft, den Verlauf der Lieferkette und den Zustand von Produkten. Durch Informationen über Frische und Zustand sorgen die Branchenstandards in der Lebensmittelindustrie schon jetzt für Sichtbarkeit bei Produkten. Da sich die geschäftlichen Anforderungen und Geschäftsmodelle jedoch ändern, weil das Bewusstsein der Verbraucher für Nachhaltigkeit und Ökologie im Lebensmittelsektor wächst, ist ein neuer Grad der Sichtbarkeit erforderlich.

Logistik hilft beim Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln

Wussten Sie, was mit 30 Prozent der hochwertigen Lebensmittel aus der Obst- und Gemüseernte passiert? Sie fallen bei den Handels- und großen Supermarktketten wegen optischer Mängel durch das Raster. Obwohl diese Lebensmittel sämtliche Qualitätsanforderungen erfüllen, werden sie aussortiert oder als geringerwertiges Tierfutter verarbeitet. Für die Lebensmittelindustrie haben die Anforderungen an die Optik von Lebensmitteln demnach den gleichen Stellenwert wie die Anforderungen an die Qualität.

Einige Supermärkte wie zum Beispiel unser fiktiver Anwendungsfall NoWasteMarket lehnen diese Art der Lebensmittelverschwendung ab und entsprechen damit dem Wunsch vieler Verbraucher nach mehr Nachhaltigkeit. NoWasteMarket bezieht Teile der aussortierten Obst- und Gemüseernte von regionalen Bauern und verkauft sie in seinen Supermärkten. Auf diese Weise spricht das Unternehmen vor allem Verbraucher an, die sich bewusst für eine nachhaltige Verwendung von Lebensmitteln entscheiden, ohne bei der Qualität Abstriche machen zu müssen. Das Konzept, weniger Lebensmittelverschwendung mit frischen und hochwertigen Produkten zu kombinieren, spricht bestehende Kunden an, begeistert aber auch neue Kunden für diese Strategie.

NoWasteMarket erklärt, dass die Lebensmittelindustrie die Vorstellung von der natürlichen Optik von Obst und Gemüse manipuliert. Es gibt spezielle Berufe, die sogenannten Food Designer, deren Arbeit darin besteht, Lebensmittel mithilfe künstlicher Materialien wie Klebstoff oder Haarspray so zu bearbeiten, dass sie besonders ansprechend und appetitlich wirken. Mit dem natürlichen Aussehen von Obst und Gemüse hat all das wenig zu tun. NoWasteMarket befürchtet daher, kleine Makel an den Lebensmitteln könnten die Kunden möglicherweise abschrecken. Aus diesem Grund möchte NoWasteMarket als kundenorientiertes Unternehmen die Lieferkette seiner Waren für seine Kunden sichtbar machen. Die Sichtbarkeit soll in Form eines zusätzlichen Service die Frische und Qualität der Produkte für die Kunden bestätigen. Dadurch kann das Unternehmen den Kunden beweisen, dass optische Mängel nicht unbedingt ein Zeichen für schlechte Qualität sind.

Sichtbarkeit auf Knopfdruck

NoWasteMarket bezieht Obst und Gemüse von seinen regionalen Lieferanten über ein Pfandsystem mit Holzkisten. Die Kisten sind mit kalibrierten Sensoren für die Temperaturmessung ausgestattet. Obst und Gemüse muss meist in einer Kühlkette transportiert und gelagert werden, damit es länger frisch bleibt. Zusätzlich zeigen die Sensoren Informationen über den Zeitpunkt und den Ort der Befüllung an. Diese Sensoren können mit Scannern ausgelesen werden, die NoWasteMarket für Kunden bereitstellt. Scannen Kunden das gewünschte Produkt bei NoWasteMarket, erfahren sie den Zeitpunkt und den Ort der Befüllung und ob die Kühlkette für das Produkt aufrechterhalten wurde. So können sie anhand von Fakten und Informationen entscheiden, ob ihnen das Produkt frisch genug ist. Außerdem können sie einschätzen, wie viel länger das Produkt trotz seiner optischen Mängel frisch und genießbar bleiben wird. Sobald alle Produkte aus der Kiste verkauft worden sind, können die Daten der Sensoren gelöscht werden und die Kiste wird an den Lieferanten zurückgegeben, der den Sensor nach der nächsten Befüllung erneut aktiviert.

Sichtbarkeit schafft Vertrauen

Sein Konzept, Nachhaltigkeit und Frische durch Sichtbarkeit für den Endverbraucher miteinander zu verbinden, macht das fiktive Unternehmen NoWasteMarket zum Wegbereiter. In anderen Bereichen erfolgt die Abkehr von der Wegwerfkultur heutiger Supermärkte bereits heute; zum Beispiel bietet die REWE-Gruppe das Konzept in einer Reihe von Märkten unter dem Eigennamen Wunderlinge an. Bisher stehen jedoch nur isolierte Ansätze für verschiedene Arten von Lebensmitteln zur Verfügung.

Durch Sichtbarkeit und Informationen können Kunden sich mit dem Unternehmen und seinen Produkten identifizieren. NoWasteMarket gelingt es daher, das Vertrauen seiner Kunden zu gewinnen. Vertrauen bildet gerade in Zeiten zunehmender Lebensmittelskandale den Grundstein für eine langfristige Kundenbindung. Bei der Beschaffung profitiert NoWasteMarket von den reduzierten Kaufpreisen. Aufgrund der sich daraus ergebenden Win-win-win-Situation für Lieferanten, NoWasteMarket und Endkunden könnte das Projekt mit gleichmäßig verteilten Investitionen einfach umgesetzt werden. NoWasteMarket erwägt bereits als nächsten Schritt die Ausweitung von Sichtbarkeit als Service auf andere Bereiche wie zum Beispiel Milchprodukte. Die Bedeutung von Sichtbarkeit und die Nachfrage nach Sichtbarkeit stellen einen allgemeinen Trend in der Lebensmittelindustrie dar und sind an verschiedenen Details zu erkennen. Anbieter von Sichtbarkeit als Service wie Followfood werben schon jetzt für Fisch, Gemüse und Wein mit Transparenz vom Herkunftsort an. Lebensmittelhersteller wie zum Beispiel Arla bieten ihren Kunden Transparenz in Form einer Blockchain für ihre Milchprodukte. Die wachsende Nachfrage der Kunden und Verbraucher nach Transparenz wird dazu führen, dass ohne eine ganzheitliche und intelligente Lösung für Sichtbarkeit Erfolg im kundenorientierten Lebensmittel- und Einzelhandel nicht länger möglich sein wird.

An dieser Stelle möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass unser Beispielunternehmen NoWasteMarket fiktiv ist, um vertrauliche Kundeninformationen zu schützen, jedoch auf realen Unternehmen basiert.

Supply Chain Visibility kann, wie in diesem Fall, neue Geschäftsmodelle unterstützen und schaffen. Selbst durch kleine Schritte in Richtung Sichtbarkeit können Händler mehr Kontrolle über ihre Lieferkette gewinnen. In Branchen, die mit Kunden oder mit sensiblen und verderblichen Gütern zu tun haben, ist Supply Chain Visibility nicht länger nur ein willkommenes Extra, sondern ein unverzichtbarer Mehrwert.

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