Digital, lean und flexibel – Guideline für Support-Funktionen, die Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität ermöglichen

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise setzen Unternehmen unter Druck: Sie müssen zu flexibleren Prozessen und Kostenstrukturen übergehen. Während die Wirtschaftstätigkeit nachlässt und die Unsicherheit in globalen Lieferketten steigt, stehen Firmen vor grundlegenden Veränderungen in der Unternehmensarbeit, die gerade wie im Zeitraffer stattfinden: Remote Work, agile Teams, digitale Self-Services und Prozessautomatisierung sind nur einige der ersten Anzeichen für einen tiefgreifenden Wandel. Um sich an diese neue Normalität anzupassen und ihren Gewinn und ihre Gesundheit zu schützen, müssen Unternehmen ihre Business-Support-Funktionen neu erfinden und sie digitaler, schlanker und flexibler machen.

Wie die Corona-Krise die Arbeit in Unternehmen grundlegend verändert

Die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden Lockdowns und Eindämmungsmaßnahmen werden zu einer Wirtschaftskrise von beispiellosem Ausmaß führen. Nach Angaben der Europäischen Kommission wird das europäische BIP im Jahr 2020 voraussichtlich um -8,7% schrumpfen,[1] was schwerwiegender wäre als die Finanzkrise von 2009. Die Krise hat bereits zu erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen und zu einer Verschlechterung der Geschäftsaussichten geführt. Da Unternehmen versuchen, wieder auf das Vorkrisenniveau zu kommen, werden für dieses Jahr weitere Nachwirkungen erwartet.

Aber was wir heute erleben, könnte viel mehr sein als eine Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich Arbeit, Kultur und Prozesse von Unternehmen grundlegend verändern, was mehrere Trends der digitalen Transformation massiv beschleunigt.[2]

  • Digital: Da Remote Work nun zum Standard und zur strategischen Ausrichtung von Unternehmen wird, entwickeln die Mitarbeiter jeden Tag neue Fähigkeiten im Bereich digitale Zusammenarbeit.
  • Lean: Durch Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Robotic Process Automation (RPA) und Process Mining nimmt die Umstellung der wichtigsten Support-Funktionsprozesse auf Automatisierung und Self-Service Fahrt auf. Gemeinkosten, die nicht direkt mit Geschäftstransaktionen und Wertschaffung verbunden sind, werden zunehmend in Frage gestellt.
  • Flexibel: Durch virtuelle Meeting-Räume, in denen die Mitarbeiter zusammenarbeiten können, werden frühere Hindernisse und Silos überwunden. Die Zusammenarbeit in flexiblen, agilen Teams über Abteilungsgrenzen hinweg wird so immer natürlicher und einfacher. Agiles Arbeiten hat in Bereichen wie Softwareentwicklung begonnen, verändert nun aber die Kultur und Prozesse in immer mehr Unternehmensfunktionen.

Warum Business Support-Funktionen überproportional stark betroffen sind

Viele Unternehmen haben in der Krise schnell reagiert, indem sie diskretionäre Ausgaben wie Geschäftsreisen, Schulungen, Marketing und Veranstaltungen gekürzt und die direkten Kosten (z.B. direkte Materialien, Produktionsarbeit) rasch an das neue Aktivitätsniveau angepasst haben. Jetzt, da das volle Ausmaß und die Auswirkungen der Krise sichtbarer werden, ist es an der Zeit, Support-Funktionen und -Prozesse zu überprüfen und umzugestalten, sowohl entlang der Wertschöpfungskette (wie Procurement, Produktionsunterstützung, Kundendienst) als auch in der Kategorie General & Administrative (G&A, wie Finanzen, Strategie, HR und IT), wie in Abbildung 1 gezeigt.

Abbildung 1: Business Support-Funktionen mit großem Einfluss auf Profi und Geschäftsentwicklung

Die Support-Funktionen sind überproportional stark von der aktuellen Krise und den strukturellen Veränderungen wie dem Wechsel zu Fernarbeit und Digitalisierung betroffen. Während man die operativen Kernfunktionen über Jahrzehnte durch Ansätze wie Lean und Six Sigma optimierte, wurden die Business Support-Funktionen ein wenig vernachlässigt und weniger auf systematische Leistungsmessung, Benchmarking und Produktivität ausgerichtet. Die Auswirkungen der Business Support-Funktionen auf das Endergebnis eines Unternehmens sind jedoch nicht zu unterschätzen. Je nach Branche machen sie 10 bis 15% der gesamten Unternehmenskosten oder 50 bis 100% des EBT aus und sind somit ein wichtiger Hebel zur Unterstützung der Kostenwettbewerbsfähigkeit und Rentabilität. Doch auch jenseits der Kostenfrage sind hochmoderne Support-Funktionen für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um bessere qualitative Geschäftsergebnisse wie eine höhere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, bessere organisatorische Fähigkeiten und Flexibilität zu erzielen.

Umfassender Ansatz zur Umgestaltung von Business Support-Funktionen

Wie können Unternehmen das volle Potenzial nutzen, das Business Support-Funktionen für Kostenwettbewerbsfähigkeit, Geschäftsstrategie und Wachstum bieten? Basierend auf unserer Projekterfahrung und den neuesten Trends im Organisationsdesign und in digitalen Technologien sind wir der Ansicht, dass Unternehmen einen ganzheitlichen Ansatz in vier Dimensionen verfolgen müssen, um die Support-Funktionen neu zu erfinden und an die neue Normalität anzupassen:

  • adaptives Organisationsdesign
  • effizientes und flexibles Prozessmanagement
  • Digitalisierung und datengesteuerte Optimierung
  • Performance Management und Benchmarking

Adaptives Organisationsdesign. Ein volatileres und disruptiveres externes Umfeld erfordert auch eine Änderung des Organisationsdesigns – weg von deterministischer Planung und Hierarchie, hin zu agilen und anpassungsfähigen Organisationsweisen. Legen Sie zum Beispiel den Fokus auf agile, selbstverwaltete Teams, die Mitarbeiter mit Kundenkontakt befähigen und dazu beitragen, Kontrollprozesse und Organisationsebenen zu reduzieren. Dies wirkt sich auch auf die Business Support-Funktionen aus: In Funktionen wie IT und Engineering sind agile Methoden seit langem weit verbreitet, doch auch in traditionelleren G&A-Bereichen wie HR und Finance gibt es immer mehr agile Arbeitsmethoden[3]. Nach unserer Erfahrung führt das zu Support-Funktionen, die ein Bewusstsein für Unsicherheiten entwickeln und flexibel mit ihnen umgehen können. Die Arbeitszeit verlagert sich von Verwaltungstätigkeiten hin zur Identifizierung und Verfolgung neuer Faktoren für den Unternehmenswert. Führende Unternehmen geben funktionale Silos auf und bauen ihre Organisation auf Teams auf, die End-to-End-Prozesse bearbeiten und eigene Verantwortung übernehmen. Ein Beispiel hierfür ist der Trend, Silos in der Supply Chain Planung zu überwinden und zu einer integrierten Supply Chain Planung überzugehen, die sich über die Procurement und Produktion bis hin zu den Märkten erstreckt.

Effizientes und flexibles Prozessmanagement. Um die Business Support-Funktionen an die neue Normalität anzupassen, ist ein neuer Ansatz für das Prozessmanagement von zentraler Bedeutung. Zu Beginn müssen Unternehmen eine „industrielle“ Denkweise entwickeln, um Prozesse zu unterstützen und sich auf die Standardisierung und Modularisierung von Diensten zu konzentrieren, anstatt auf Einzelfallbasis zu arbeiten. Dies sollte durch eine klare Segmentierung verschiedener Service- und Interaktionsmodelle gestützt werden, z.B. durch die Differenzierung von HR-Servicetransaktionen in Mitarbeiter-Self-Service (100% digital) für Standard- und wiederholbare Transaktionen, Front-Office-Support für einfache Anfragen und fachliche Unterstützung für komplexe, individuelle Anfragen. Durch die disziplinierte Anwendung eines solchen Ansatzes können Unternehmen bereits erhebliche Verbesserungen bei der Servicequalität und der Produktivität von Support-Funktionen erzielen. Darüber hinaus kann eine prozessweise Umgestaltung zusätzliche Verbesserungen in Bezug auf Produktivität und Geschwindigkeit bringen, beispielsweise durch die Minimierung von Redundanzen und Mehrfach-Kontaktpunkten. Auch eine auf individuellen Stärken basierende Aufgabenverteilung an Verantwortliche kann große Vorteile erzielen, z.B. durch den effektiven Einsatz von Experten und gemeinsam genutzten Serviceressourcen.

Abbildung 2: Ein effektiver Ansatz zur Umgestaltung von Business Support-Funktionen 

Digitalisierung und datengesteuerte Optimierung. Die Umgestaltung der Business Support-Funktionen durch Digitalisierung und Analysen hat gerade erst begonnen. Das Portfolio an technologischen Instrumenten ist weit entwickelt, doch die tatsächliche Übernahme in die Geschäftsprozesse von Unternehmen ist noch nicht weit fortgeschritten. Unternehmen müssen die Digitalisierung der Business Support-Funktionen ganzheitlich betrachten: Erstens sollte die vorhandene RPA-Technologie (Robotic Process Automation) voll genutzt werden, um die verbleibenden Systembruchpunkte in End-to-End-Prozessen zu überbrücken. RPA ist in Bereichen mit wiederholten Standardaufgaben wie der Rechnungs- und Schadenbearbeitung bereits weit verbreitet. Jetzt wird die Technologie auch zunehmend auf andere Bereiche wie die Berichterstellung und den Kundendienst ausgeweitet. Zweitens sollten Unternehmen virtuelle Agenten verwenden, um den Benutzern Einblicke in Big Data und Analysen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, während sie den Prozess ausführen. Beispiele sind Chatbots, die Benutzer bei der manuellen Anreicherung von Prognosen oder bei der Pflege neuer Datensätze für Stammdaten unterstützen. Drittens eröffnet die Kombination von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz (RPA 2.0) neue Anwendungen der Automatisierung für weniger standardisierte Aufgaben wie Entscheidungen, Überprüfungen und Genehmigungen. Beispiele sind die KI-basierte Anreicherung und Bereinigung von Stammdaten basierend auf Rule Mining, die Automatisierung von Abfragen in Planungsprozessen basierend auf der Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) oder die nahtlose Integration datengesteuerter Optimierungsergebnisse in ältere Transaktionssysteme. Schließlich ermöglicht die Process-Mining-Technologie eine kontinuierliche Überwachung der Effizienz und Effektivität von Support-Prozessen, sodass Unternehmen zu einer kontinuierlichen Prozessoptimierung übergehen können.

Performance Management und Benchmarking. Support-Funktionen werden seit langem als „Gemeinkosten“ und Fixkosten behandelt, die nicht direkt mit den Betriebsleistungen und Geschäftsergebnissen zusammenhängen. Die wichtigste Säule für die Anpassung an die neue Normalität ist die Schaffung einer starken Leistungskultur in den Support-Funktionen, die alle Kosten oder Aktivitäten auf der Grundlage ihres Werts für das Unternehmen in Frage stellt. Keine Support-Aktivität sollte als gegeben angesehen werden. Vielmehr sollte auf der Grundlage klar messbarer Geschäftsvorteile beurteilt werden, ob die Aktivität betrieblich sinnvoll ist. Dies erfordert natürlich eher eine „industrielle“ Denkweise und ein anderes Maß an Leistungstransparenz bei den Support-Funktionen: nicht nur bei Kosten- und Produktivitätskennzahlen (wie z.B. Kosten pro eingestelltem HR-Mitarbeiter oder Kosten pro Bestellung/Rechnung bei Purchase-to-Pay), sondern auch bei der Geschäftsförderung (wie z.B. Auswirkungen auf Kennzahlen zur Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit). Um das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Business Support-Funktionen wirklich zu optimieren, muss die Kostentransparenz wesentlich detaillierter sein und von der Ebene der Kostenstelle/Kostenkategorie zu einem umfassenden Verständnis der Aufwandsfaktoren und des Transaktionsvolumens für wichtige Aktivitäten oder Transaktionen übergehen. Basierend auf einem derart granularen Ansatz sollten Unternehmen kontinuierlich internes und externes Benchmarking nutzen, um realistische Verbesserungsmarken zu setzen.

Voraussetzungen für eine Veränderung

Die Umgestaltung von Business Support-Funktionen ist wie eine Operation am Herzen des Unternehmens – sie hat erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, die Unternehmensführung und die Prozesse. Daher muss sie wie eine „Change Journey“ angegangen werden, mit umfassendem Engagement der Mitarbeiter und einer starken Managementverantwortung. Basierend auf unserer Erfahrung möchten wir fünf wichtige Voraussetzungen für den Erfolg hervorheben:

  • Von der Verwaltung zur Wertschöpfung: Bauen Sie die Transformation auf einer klaren Change Story und Vision auf. Es sollen verbesserte Support-Funktionen mit einem sichtbareren und anerkannteren Wert für das Unternehmen entstehen.
  • Etablieren einer starken Leistungskultur: Förderung einer leistungsorientierteren Kultur in den jeweiligen Abteilungen durch kontinuierliche Messung und Leistungsdialoge, Benchmarking und Zielsetzung sowie Würdigung von Erfolgen.
  • Nach innen gerichtete Orientierung überwinden: Vermeiden Sie es, den Ist-Zustand zwanghaft erhalten zu wollen, und lassen Sie sich stattdessen von anderen Unternehmen, Outsourcing- und Technologieanbietern inspirieren, um die Support-Funktionen der Zukunft zu entwickeln.
  • Bei null starten: Halten Sie nicht an früheren Budgets und Strukturen fest. Starten Sie bei null. Entwerfen Sie die modularen Services und Kostenstrukturen ausschließlich ausgehend von Kunden- und Geschäftsanforderungen und hinterfragen Sie alle Prozesse und Services, die weggelassen oder vereinfacht werden können.
  • Mit gutem Beispiel vorangehen: Beginnen Sie mit der C-Ebene und der funktionalen Führung in den jeweiligen Support-Funktionen. Eine starke Ausrichtung des Managementteams sowie seine Vorbildfunktion und Führungsrolle in der Einbindung des gesamten Teams sind für den Erfolg von entscheidender Bedeutung.

Was denken Sie darüber und welche Herausforderungen gibt es für Sie? Teilen Sie Ihr Feedback mit uns! Wir freuen uns auf Ihre Denkanstöße und einen offenen Dialog.

[1] https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/ip132_en.pdf

[2] https://hbswk.hbs.edu/item/how-the-coronavirus-is-already-rewriting-the-future-of-business

[3] https://hbr.org/2018/05/agile-at-scale

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