Wie reagiert man auf Verkehrsstaus und steigende Serviceanforderungen? Urban Warehouses können die Logik verändern, nach der Stadtzentren funktionieren.

In den vergangenen Jahrzehnten zogen immer mehr Menschen in Ballungszentren. Heute leben rund 55 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten. Obwohl Nordamerika in diesem Bereich gegenwärtig Spitzenreiter ist, holen asiatische und afrikanische Städte rasch auf – sie unterliegen derzeit den schnellsten Veränderungen.

Mit dem andauernden Wachstum der Städte erweitert sich auch ihre dominante Marktposition. Für Unternehmen ist es mittlerweile ein wesentlicher Punkt, sich speziell auf diese Bereiche zu konzentrieren und sie mit den geforderten Produkten und Dienstleistungen zu versorgen. Gleichzeitig steigt das Niveau der erwarteten Service Levels durch die Effekte der sozialen Medien und aufgrund der hohen logistischen Anforderungen des E-Commerce erheblich. Mittlerweile erwarten Kunden, dass die Ware innerhalb von Stunden nach der Bestellung bereits geliefert wird oder die Produkte je nach Kundengeschmack personalisiert werden.

Diese Erwartungen zu erfüllen ist schwierig und erfordert zudem ein bestimmtes Maß an Professionalität und organisatorischer Reife. Reibungslose Abläufe, effiziente Systeme und ein agiles Netzwerk sind unerlässlich, um den Leistungsstandards der Zukunft gerecht zu werden. Viele Unternehmen beginnen daher, eigene urbane Verteilerlösungen einzurichten, um den Anforderungen der Kunden in diesen überlasteten Märkten gerecht zu werden. Ein entscheidendes Puzzlestück dieser Lösungen sind Urban Warehouses.

Neben etablierten Einzelhändlern zeigen auch Außenseiter und Start-ups zunehmend Interesse an dieser „Nische“. Eine Reihe von Investmentgesellschaften wie Blackstone investieren mit Blick auf Urban Warehouse- und Dark Kitchen-Lösungen stark auf gewerbliche Immobilien in Städten auf der ganzen Welt. Auf der anderen Seite bietet eine neue Generation von Logistikanbietern einer breiten Kundenbasis ausschließlich rasche innerstädtische Logistikleistungen an.

Dieser Blogpost veranschaulicht die drei best-in-class Nutzungsszenarien von Urban Warehouse-Lösungen und erklärt, wie sich Ihr Unternehmen mithilfe dieser Lösungen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann.

1. Satellitenlager

Ein urbanes Satellitenlager ist eine Erweiterung eines Ausstellungsraums, eines Pop-up-Stores oder jedes Geschäfts, das nicht über den notwendigen Lagerraum verfügt. Diese Lösung ist insbesondere geeignet, wenn Sie über eine geringe Fläche verfügen oder Ihre Verkaufsfläche maximieren wollen.

In erster Linie dienen Satellitenlager dazu, Ladengeschäfte zu beliefern. Aufgrund der räumlichen Nähe kann das mehrmals am Tag oder sogar unmittelbar auf Anforderung geschehen. Darüber hinaus sind Mehrwertdienste wie Reparaturannahme, Fertigung in kleinem Maßstab bzw. Personalisierung oder Retourenannahme möglich, um das Leistungsversprechen des Geschäfts zu steigern. Eine weitere Chance liegt in der Prozessoptimierung: Indem gewisse Schritte von Prozessen ausgelagert werden, kann sich das Geschäft auf seine Kernkompetenzen konzentrieren – die Präsentation und den Verkauf von Produkten.

Die große Herausforderung beim Betrieb eines Lagers dieser Art ist es, gut funktionierende und integrierte Prozesse sicherzustellen. Aufgrund der kritischen Bedeutung der Verbindung zwischen dem Geschäft und dem Lager können sich geringfügige betriebliche Probleme rasch zu teuren Ineffizienzen, leeren Regalen oder verlorenem Umsatz auswachsen. Es muss jedoch nicht nur die Lieferung garantiert werden. Eine Unterbrechung der Abfallentsorgung, der Retourenabwicklung oder des Austauschs von Transporteinheiten (wie Paletten, Transportwagen oder Kisten) kann rasch zu weiteren Problemen im Verkaufsgebiet führen. All diese Tätigkeiten sind bereits in einem gewöhnlichen Umfeld schwer zu meistern. Eine Reihe von Komplikationen verursachen zusätzliche Planungskomplexität. Geschäfte sind möglicherweise nicht den ganzen Tag über erreichbar oder verfügen nicht über die logistische Infrastruktur, um flüssige Prozesse zu ermöglichen. Ein Satellitenlager kann nur innerhalb einer gut organisierten Lieferkette funktionieren.

2. Multi-Site-Lager

Unter Multi-Site-Lager versteht man eine Gruppe von Lagern, die überlappende geographische Gebiete beliefern. Diese Lager werden wie ein einziges verwaltet, sind zwar funktional miteinander verbunden, jedoch geographisch voneinander getrennt. In Städten ist die benötigte Lagerfläche oft nicht an einem Standort verfügbar. Planer müssen möglicherweise Kompromisse eingehen: Einerseits wird eine Einrichtung in ausreichender Größe benötigt, andererseits muss die Nähe zum Kunden gewährleistet werden.

Das Lager übernimmt eine herkömmliche Rolle, die Rolle der Ver- und Entsorgung für Läden oder der direkten Belieferung von Endverbrauchern. Das Verhältnis von Liefer- zu Sourcing-Punkt beträgt jedoch nicht wie gewöhnlich 1:1 sondern 1:n. Ähnliche Konzepte existieren bereits heute auf nationaler oder überregionaler Ebene. Dabei ist das primäre Ziel die Errichtung einer agilen Beschaffungsstruktur und eine Verteilung der Risiken, die mögliche fehlende Übereinstimmungen im Bestand kompensiert (d. h. das benötigte Produkt gibt es in Lager A nicht mehr, es ist aber in Lager B vorhanden).

Die größten Herausforderungen einer urbanen Multi-Site-Lösung liegen im Bereich Bestands- und Transportmanagement. Wird eine SKU ausschließlich an einem Standort gelagert oder parallel an jedem Standort? Welche Produkte werden für gewöhnlich gemeinsam bestellt? Erfüllt jedes der Lager isolierte Leistungen oder nicht? Welches Lager erfüllt einen eingehenden Auftrag? Wird ein Fahrzeug einem bestimmten Standort zugewiesen, oder kann es dynamisch wechseln? Die Prozess- und Planungskomplexität steigt exponentiell, je flexibler das Netzwerk reagieren soll. Ein Multi-Site-Lager erfordert in der Regel mehr organisatorischen Aufwand, zudem ist aufgrund der zusätzlichen Komplexität eine detailorientierte Umsetzungsphase erforderlich.

3. Fast Fulfillment Center

Der einzige Zweck eines Fast Fulfillment Centers besteht darin, die Vorlaufzeiten für Lieferungen zu minimieren und einen ausgezeichneten Kundenservice zu bieten. Um rasche und schlanke Prozesse zu ermöglichen, sind ein rascher Warenumschlag und geografische Nähe erforderlich.

Das wohl bekannteste Beispiel für ein Fast Fulfillment Center ist das Prime Now-Netzwerk von Amazon. In bestimmten Bereichen bietet Amazon einen einstündigen Lieferservice für ein speziell zugeschnittenes Produktportfolio. Obwohl der E-Commerce der offensichtliche Nutznießer einer derartigen Lösung ist, können auch Einzelhändler mit physischen Standorten davon profitieren. Ladengeschäfte können ihren Kunden zwar eine unverzügliche Lieferung der Produkte bieten, verfügen aber nicht über die breite Produktpalette von Online-Shops. Fast Fulfillment Center könnten eine Erweiterung des Produktportfolios sein und eine sofortige Lieferung von Produkten nach Hause anbieten, die im Laden nicht verfügbar waren.

Die anfängliche Immobiliensuche und die beschränkte Skalierbarkeit stellen die größten Herausforderungen für Fast Fulfillment Center dar. Es ist nicht einfach, den richtigen Standort in der Nähe der Kunden zu finden, der verlässlich erreichbar ist und über ausreichende Kapazitäten verfügt. Der Kampf um diese Standorte wird härter und hat bereits den Bau von mehrgeschossigen Lagern zur Folge, damit allen Kriterien entsprochen werden kann. Aufgrund der beschränkten Produktpalette, des beschränkten Platzes und des raschen Umschlags werden diese Standorte insgesamt nicht mit der Effizienz größerer herkömmlicher Lager konkurrieren können. Die relativen Logistikkosten werden zwangsläufig höher liegen, was nicht mit jeder Produktmarge zu rechtfertigen ist. Ein Fast Fulfillment Center benötigt in der Regel ein recht eng definiertes Geschäftsszenario und muss sorgfältig eingerichtet werden, um die notwendigen zusätzlichen Einnahmen zu generieren.

Ausblick

Natürlich gibt es andere Formen von Urban Warehouses (z. B. herkömmlich geführte Lager oder städtische Fertigungslager), außerdem können sich Konzepte überlappen, es existieren Zwischenformen und weitere Probleme, die hier nicht im Detail angeführt wurden, müssen gelöst werden. Die dargestellten Nutzungsszenarien sind nur Beispiele für innovative und spezielle städtische Logistiklösungen. Die Ermittlung des richtigen Lagertyps, des passenden Geschäftsszenarios und der effizienten Umsetzungsstrategie für Ihr Unternehmen ist sehr komplex und muss zusätzliche Dimensionen berücksichtigen.

Wir bei CAMELOT freuen uns darauf, Sie bei Ihrem nächsten Schritt in Richtung Fulfillment für Kunden und hin zu verbesserten Logistikfähigkeiten zu unterstützen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Wir danken Roman Joachim Wisst und Jochen Thomas für ihren wertvollen Beitrag zu diesem Artikel.

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