Mithilfe von Systemintegration, Cloud-Plattformen und KI bewegt sich das Management von Supply Chains Schritt für Schritt in Richtung eines höheren Automatisierungsgrads. Dennoch ist die Self-Driving Supply Chain bislang nur eine Vision. Mit ihrer Realisierung könnten Supply-Chain-Planner, Inventory-Manager oder Beschaffungsverantwortliche sich auf Aufgaben mit höherer Wertschöpfung bzw. auf die entsprechende Handhabung von Ausnahmen konzentrieren. Auf der anderen Seite werden sich wiederholende Aufgaben an Systeme übertragen, die – nachdem sie einmal durch Benutzereingaben „trainiert“ wurden – schneller und genauer arbeiten. Dabei ist immer wieder von einem typischen Anwendungsbereich die Rede: Die Entscheidungen, die zu treffen sind, wenn Daten aus der Echtzeitverfolgung oder anderen Quellen auf eine Unterbrechung in der Lieferkette hindeuten. Ein anderer Bereich wird die Beschaffung bzw. Frachtausschreibung sein.

Sowohl Frachtführer als auch Logistikdienstleister (LDL) wenden heutzutage viel Zeit auf, um Marktstudien durchzuführen und Angebote auszuarbeiten. Die Ausschreibung kann für gewöhnliche 3PL-Verträge leicht bis zu drei Monate dauern. Da diese Ausschreibungen häufig auf jährlicher Basis erfolgen, müssen die mit Ausschreibungen und Preisfestlegungen betrauten Teams jedes Jahr sich wiederholende und zeitaufwendige Aufgaben ausführen. Doch von Zeit und Aufwand für diesen Vorgang einmal ganz abgesehen, wird damit nicht unbedingt immer das beste Ergebnis erzielt, da die Preisfestlegung häufig starken saisonalen Schwankungen unterliegt und Mengen nur als Durchschnittswerte und unvollständig angegeben werden.

Daher liefert die Überprüfung der Frachtraten durch jährliche Ausschreibung mit hohem Aufwand nur eine fragwürdige Qualität. Heute ist häufig das gesamte Beschaffungsteam in Vollzeit mit der Suche nach auf dem Markt verfügbaren geeigneten Anbietern und Angeboten beschäftigt. Dahinter steht die Absicht, eine aussagekräftige, umfassende und aktuelle Marktübersicht zu erlangen. Doch rechtfertigt das Verhältnis aus Arbeit und Resultat diesen enormen Aufwand?

Eine mögliche Lösung

Was würden Sie sagen, wenn der Ausschreibungsprozess weitgehend automatisiert werden könnte? Und was wären die Vorteile einer Automatisierung? Wie könnte dies erreicht werden?

Ein erster Schritt in diesem Ansatz würde den Zugang zu einer großen Menge konsolidierter Frachtraten globaler LDL und Verladern im Rahmen einer harmonisierten Datenquelle erfordern. Auf diese Weise könnten die erforderlichen Qualitätsstandards aussagekräftiger, umfassender und aktueller Angaben zu Frachtraten erfüllt werden, die für Verhandlungen auf dem globalen Markt benötigt werden. Mit einer konsolidierten Datenquelle könnten Sie außerdem Preisentwicklungen über einen bestimmten Zeitraum oder eine spezifische Relation erkennen. Zudem könnten Sie dank komplexerer Data-Mining-Vorgänge weitere Kostenoptimierungen und verbesserte Prognosen entlang Ihrer Wertschöpfungskette erzielen.

Der zweite Schritt ist eine Überprüfung des Prozesses der Vertragsverhandlung. Bedenkt man, wie viel Zeit eine Beschaffungsabteilung selbst mit modernsten Tools für die Beurteilung der Angebote von LDL aufwendet, muss der Nutzen infrage gestellt werden. Was, wenn sie stattdessen nur alle drei bis fünf Jahre einen Vertrag mit einem LDL schließen müssten? Heutzutage enden die meisten Verträge nach einem kürzeren Zeitraum, da die Preise neu verhandelt werden sollen oder Leistungskennzahlen (KPIs) nicht erreicht werden. Was, wenn Ihre Frachtraten automatisch abhängig vom durchschnittlichen Marktniveau, dem Benchmark, auf jährlicher oder sogar vierteljährlicher Basis angepasst werden würden? In diesem Fall würden Sie höchstwahrscheinlich einen marktgerechten Preis zahlen und auch ihr LDL würde angemessen vergütet. Dies wäre eine Win-Win-Situation für beide.

Beide Seiten legen die Grundlagen für eine langfristige Beziehung, indem sie auf unnötige Vertragsverhandlungen verzichten. Vorausgesetzt, dass KPIs erfüllt werden und keine wesentlichen Änderungen bei den Mengen aufgetreten sind, spricht nichts gegen einen Vertragsabschluss für drei bis fünf Jahre. Da langfristige Beziehungen ein höheres Maß an Planungssicherheit bieten, ergeben sich Vorteile für beide Parteien: LDL können beispielsweise dank der Kontinuität im Hinblick auf Mengen und Margen besser kalkulieren, Verlader profitieren von wettbewerbsfähigen Frachtraten.

Wie lässt sich dieser neue Ansatz umsetzen?

Erstens ist ein Zugang zu einem Pool mit aktuellen Frachtraten verschiedener LDL und Verladern erforderlich. Aus diesen Daten wird ein durchschnittlicher Marktpreis pro Relation gebildet. Es gibt Raten-Benchmark-Plattformen, die genau diese Art von Datenpool für ihre Abonnenten bieten. Darüber hinaus bieten sie Tools zur Durchführung von Analysen in einem gewissen Umfang. Allerdings bietet bislang keine dieser Plattformen alle Transportmodalitäten auf einmal, wie See-, Straßen- und Luftfracht, mit den entsprechenden Besonderheiten, wie Temperaturkontrolle oder Gefahrengüter. Daher ist eventuell eine spezifische Lösung erforderlich, die Ressourcen aus mehreren Plattformen kombiniert und zusätzlich moderne Datenanalyseoptionen bereitstellt. Eine Funktion für den Import von Frachtraten in Transportmanagement-Systeme (TMS) liefert zusätzlichen Wert.

Nachdem ein umfassendes Tool verfügbar ist, besteht der zweite Schritt in der Umsetzung eines neuen Prozesses zur Vertragsverhandlung. Hier lautet das Ziel, langfristige Beziehungen mit LDL zu schaffen, wenn dies für beide Parteien vorteilhaft ist. Auf diese Weise lässt sich vereinbaren, wann der Vertrag verlängert werden soll, wann die Frachtrate überprüft wird oder sogar wann diese automatisch auf den Marktdurchschnitt angepasst wird – also praktisch die Frachtraten erneuert werden.

Prozessschritte wie z.B. die Festlegung von KPIs und Überprüfung des Leistungsangebots von LDL fallen dabei nicht weg.

Abb.1: Eigene Darstellung – vierteljährliche Anpassung der Frachtraten

In diesem Beispiel können sowohl LDL als auch Verlader sicher sein, dass sie eine faire Vergütung – bzw. einen fairen Preis – erhalten.

Ausblick

Das hier geschilderte Konzept einer automatischen Erneuerung der Frachtraten ist an zwei Bedingungen geknüpft: Erstens muss ein aussagekräftiger Datenpool vorhanden sein, der globale Frachtraten für mehrere Transportmodalitäten enthält. Zweitens muss der derzeit gängige Ansatz der Vertragsaushandlung ganz neu gedacht werden: Weg von einem sich wiederholenden Ausschreibungsprozess hin zu einem einmaligen Vertragsereignis, das die Grundlage für eine gemeinsame Partnerschaft über den üblichen einjährigen Zeitraum hinaus schafft. Wenn beide Bedingungen erfüllt sind, lassen sich finanzielle Vorteile für beide Seiten erzielen. Gründe dafür sind eine erhöhte Planungssicherheit, da die Verträge länger laufen, z.B. ein halbes Jahrzehnt. Außerdem lassen sich Beschaffungsvorgänge optimieren und fokussieren. Darüber hinaus steigt die Motivation, Prozesse gängiger alltäglicher Vorgänge abzustimmen, begründet mir der erhöhten Vertragslaufzeit. Alles in allem lohnt es sich, diesen Ansatz einmal näher anzusehen und auszuprobieren.

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