Das Thema Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Mixed Reality (MR) – nachfolgend von mir Extended Reality (xR) genannt – fasziniert mich persönlich enorm. Es liefert einen komplett anderen Blickwinkel, wie ich als Benutzer mit Anwendungen und Systeme interagieren kann. Was für mich aus vergangenen Filmen noch eher weit in der Zukunft lag, ist nun Realität. Wir haben uns das Thema also genauer angeschaut, damit experimentiert und die ersten Eindrücke möchte ich gerne in einer kleinen Blogserie mit euch teilen.

Was ist der Unterschied zwischen AR, VR und MR?

Während AR (dt. erweiterte Realität) die Anreicherungen der realen Umgebung mit digitalen Informationen meint, ist VR (dt. virtuelle Realität) eine komplett geschlossene virtuelle Umgebung des Benutzers ohne Interaktion mit der realen Umgebung. Oder noch einfacher ausgedrückt: Pokémon Go vs. Playstation VR.

Der Unterschied ist den meisten bis hierhin klar, MR (dt. vermischte Realität) könnte dem ein oder anderen aber noch nicht über die Lippen gekommen sein. Man könnte es als Kombination aus beidem verstehen. Und doch ist es noch etwas mehr. Denn anstatt digitale Objekte in die reale Umgebung statisch zu platzieren, können diese mit ihr auch interagieren. Noch zu abstrakt? Dann schaut euch dieses Video von Microsoft an.

Die Endgeräte sind für die Technologien heute sehr vielfältig und speziell für AR bereits auf einfachen Smartphones und Tablets realisierbar. Für VR und MR werden meist noch spezielle Headsets benötigt. Hersteller gibt es mittlerweile genügend. Platzhirsche im VR-Umfeld sind u.a. Facebook mit der Oculus Rift oder HTC mit der Vive. Im MR-Umfeld kommt man um die HoloLens von Microsoft nicht herum.

Was im Gaming Sektor schon etablierter Standard zu sein scheint, ist im Business Segment noch eher unauffällig. Ist xR also noch Science Fiction oder tatsächlich schon Science Fact? Dieser Frage versuchen wir im Folgenden nachzugehen.

Sind AR, VR und MR nur ein weiterer (vergänglicher) Trend?

Kurz und knapp vorab: nein! Zwar wird es aktuell noch zu oft als „Spielerei“ abgestempelt, aber nur deshalb, weil man den richtigen Use Case noch nicht gefunden hat. Und dieser ist essenziell notwendig, damit xR sein enormes Potential ausschöpfen kann. Es geht nicht darum, zukünftig sämtliche Applikationen über xR zu bedienen. Vielmehr ist es ein zusätzlicher Zugriffspunkt in spezifischen Prozessschritten, die mit aktuellen Technologien eher umständlich zu lösen sind. Dabei geht xR gleich 3 Problemfelder heutiger und klassischer Anwendungen gleichzeitig an:

  1. Blinkered View
    Wir Menschen bedienen nur das, was im Bildschirm sichtbar ist, mobil oder auf Workstations, oder wir kombinieren gar mehrere Bildschirme zusammen. Unser Sichtfeld ist dabei aber immer eingeschränkt, Informationen dadurch nicht gleich sichtbar und transparent. xR nutzt dabei das gesamte 360° Sichtfeld des Benutzers.
  2. Handicapped Motion
    Nahezu alle Applikationen werden von uns mit der Maus gesteuert, mittlerweile auch per Touch, teilweise auch per Sprachsteuerung. xR geht den nächsten Schritt und integriert weitere Gestensteuerungen in und vor allem mit der realen Umgebung, was neue Möglichkeiten der Interaktion mitbringt.
  3. Limited Location
    Wir arbeiten heutzutage nahezu immer am Laptop an irgendeinem Arbeitsplatz, entweder im Büro oder im Home Office. Wir haben einen Schreibtisch, mit Tastatur, Maus, Bildschirm, Netzwerk- und Stromanschluss. Im Grunde genau wie schon vor 20 Jahren, auch wenn das zugegebenermaßen nicht zu vergleichen ist. Anstatt das Büro physisch zu bedienen könnte man es auch virtualisieren. Eine Vision, die nicht neu ist, aber noch etwas Entwicklung benötigt.

Die zunehmende Wichtigkeit von xR bedingt durch die Generationenverschiebung

Wenn wir uns zudem die demografische Entwicklung in den Unternehmen anschauen, werden wir eine deutliche Generationenverschiebung in den nächsten Jahren sehen. Die Generation Z drängt in den Arbeitsmarkt und ist gewohnt, mit digitalen Medien und Technologien aus dem Alltag zu arbeiten und möchte diese im Arbeitsalltag integriert sehen. Baby Boomers hingegen gehen in Rente und scheiden aus den Unternehmen mehr und mehr aus. Bis 2030 machen die Millennials und Generation Z fast 65% der Mitarbeiter im Unternehmen aus. Also jene Generationen mit digitalem Hintergrund.

Quelle: Aggregierte Daten aus der Online-Datenbank des Statistischen Bundesamts und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales

AR, VR und MR als Schlüsseltechnologie der Generation Z

Die Generationenverschiebung hat demzufolge auch ein Umdenken der Unternehmen zur Folge. Wenn man bestehendes Fachpersonal halten und neues Fachpersonal gewinnen möchte, muss man den Mitarbeitern ein entsprechendes Angebot anbieten können. Wenn also 2030 fast 65% der Mitarbeiter zukünftig Millennials und Gen Z sein werden, dann werden diese Mitarbeiter mobile Endgeräte, AI, IoT, xR usw. voraussetzen. Speziell für die Generation Z spielt xR sogar eine entscheidende Rolle. Das Nutzererlebnis ist ihnen wichtiger als das Produkt selbst und mit xR wird dieses Nutzererlebnis auf so einzigartige Weise befriedigt, dass laut Kate Harrison diese Technologie maßgebend ist, um sie als Konsumenten binden zu können.

Ähnlich bringt es Microsoft’s CEO Satya Nadella auf den Punkt:

 “There are three real foundation technologies which are going to shape the years and decades to come. These are Mixed Reality, Artificial Intelligence, and Quantum Computing”

“… the ultimate experience, in my mind, is what I describe as ‘mixed reality.’ The idea that you can now have both the virtual and the real world in front of your eyes and blend the two, for me, is the realization of the digital mirror being there always”

AR, VR und MR entfachen enormes Marktvolumen in den nächsten Jahren

Zu guter Letzt für diejenigen, die eher zahlenorientiert denken und handeln: das Marktvolumen für xR wird sich in den nächsten Jahren nahezu verzehnfachen bei einer CAGR von satten 57% in 5 Jahren!

Quelle: https://www.statista.com/statistics/591181/global-augmented-virtual-reality-market-size/

Was wird für die Entwicklung von AR, VR oder MR benötigt?

Um xR Applikationen zu entwickeln, sind einige Dinge zu berücksichtigen. Neben einer neuen Entwicklungsumgebung und Devices wird auch neues Know-How benötigt. Sollten Sie bereits heute mobile Applikationen im Unternehmen einsetzen, so sind zumindest aus Sicht der Infrastruktur und Architektur keine großen Anpassungen zu erwarten.

  Entwicklungsumgebung Know-How Devices
AR für iOS
  • XCode
  • ARKit
  • Optional: Unity
SWIFT
  • AR kompatible iPhones
  • AR kompatible iPads
AR für Android
  • Android Studio
  • ARCore
  • Optional: Unity
Java, Kotlin
  • AR kompatible Smartphones
  • AR kompatible Tablets
MR für HoloLens
  • Unity
  • Visual Studio
  • Unity
  • C#
HoloLens
VR
  • Unity
  • Oculus SDK
  • SteamVR
  • Unity
  • Device specific SDK
  • Oculus Rift
  • HTC Vive

Wie können Unternehmen von AR, VR und MR profitieren?

Wie genau kann man nun als Business profitieren? Welche Einsatzmöglichkeiten ergeben sich für Unternehmen? Dies ist sehr individuell zu entscheiden und branchenabhängig. Generell kann man aber festhalten, dass Unternehmen, die xR einsetzen, häufig von effizienteren Prozessen profitieren, von effizienteren Trainingsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter und einer Steigerung der User Experience – also der Nutzerzufriedenheit und damit der Kunden-/Mitarbeiterbindung. Manchmal tun sich Unternehmen aber schwer in der Ausarbeitung konkreter Use Cases, wie hoch ist der Nutzen oder ist es nur eine nette Spielerei? Hier kann ein erster Schritt also sein, Anregungen von außen zu holen. Was gibt es bereits auf dem Markt, was haben andere bereits umgesetzt? Schauen wir doch mal ein paar Beispiele an, wie Unternehmen oder Branchen bereits heute xR einsetzen.

IKEA (Retail):

Mit der IKEA Place App bietet IKEA seinen Endkunden eine smarte Lösung an, Produkte aus dem Sortiment direkt in die private Umgebung zu integrieren. Das bedeutet, dass man bereits vor dem Kauf ein fertig eingerichtetes Wohnzimmer, Schlafzimmer etc. virtuell simulieren kann. Das erleichtert Kaufentscheidungen, steigert die Zufriedenheit und schlussendlich auch die Verkäufe für IKEA. Ein ähnlicher Use Case lässt sich für viele Unternehmen aus dem Retail-Bereich umsetzen.

Volkswagen (Automotive):

VW bietet ein VR-Erlebnis für Kunden an, bei dem der T-Roc im Virtual Showroom digital begutachtet werden kann. Konfiguration, Platzangebot, Technik… alles kann virtuell ausprobiert werden, bevor der Kauf getätigt wird. Endkunden bekommen so ein besseres Gefühl, ob die Konfiguration ihren Ansprüchen genügt.

Zusätzlich hat Volkswagen gleich eine ganze Plattform eingeführt – das sogenannte „Digital Reality Hub“. Darin werden sämtliche VR-Anwendungen vereint, die in der Produktion oder Logistik eingesetzt werden. Weitere Informationen dazu auch in diesem Film.

Renault (Automotive):

Renault Trucks hat zur Qualitätssicherung der Motoren die Mixed-Reality-Technologie ausgiebig erprobt. Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich die Motorkomponenten virtuell darstellen zu lassen und im Sichtfeld virtuelle Informationen und detaillierte Schritte zur Qualitätssicherung des Motors integrieren zu lassen. Papierbasierte Checklisten entfallen dadurch.

Gesundheitswesen:

Im Gesundheitswesen können beispielsweise Krankenhäuser stark im Bereich Training oder Simulationen profitieren sowie bei Unterstützung während komplexer OPs bis hin zu Patientenaufklärungen, Visiten oder der Dokumentation und dem Abruf von Patientenakten.

Analytics:

Big Data – das bedeutet visuell gesehen ein Areal von schier unendlichem Raum, etwas das sich mit klassischen Endgeräten schwierig oder teilweise umsetzen lässt. Mit xR dagegen lässt sich dieses Potential entfachen.

Hand Gestures sind in xR-Applikationen als Standard etabliert, AI-Schnittstellen für Predictive Analytics vorhanden und integrierbar, Datenpunkte mittels der Cloud von überall aus abrufbar. Mit Datenobjekten buchstäblich zu jonglieren und umfangreiche Datenanalyse in einer virtuellen Umgebung zu machen ist also Realität und schafft ungeahnte Qualitäten. Die schiere Menge, die xR im Big-Data-Umfeld verarbeiten und visualisieren kann, lässt sich mit keiner anderen Technologie verwirklichen.

Fazit

xR bietet bei guten Use Cases enormes Potential und führt zu deutlichen Prozessoptimierungen und mehr Effizienz. Die Schwierigkeit ist momentan eher noch organisatorischer Natur oder in der Ausarbeitung und Identifizieren der Use Cases zu finden. Im nächsten Teil dieser Blogserie zeige ich Ihnen einen konkreten Use Case, den wir bei Camelot ITLab umgesetzt haben.

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